Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0331
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kirchenordnung 1566

bigen zum stetigen würdigen gebrauch gereizet und
zur warhaftigen und ungeferbten buße, herzlichen
erkantnus der sünden und Gottes ernsthaftigen zorns
uber die sünde, festen glauben und vertrauen auf
den tod und blutvergießung unsers Herrn Jesu Christi
und stetige erneurung des lebens, darinnen allein der
fruchtbare, selige gebrauch dieses sacraments stehet,
gewiesen und angehalten werden. An etlichen ortern
und zu gewisser zeit wird die vermanung an die com-
municanten unterlassen und an statt derselbigen ein
jeder in sonderheit verhöret, unterwiesen und ver-
manet von den kirchendienern, wird auch denen, so
ihre besondere confession und beicht tun, die privat-
absolution mitgeteilet, welchen brauch, dieweil er zu
vielen dingen gut und nützlich ist und mit der aber-
gleubischen gottlose ohrenbeicht der papisten nichts
gemein hat, wöllen wir in keinem weg verworfen
noch abgestellet haben.
(4) Auf geschehene christliche und gottselige ver-
manung folget die censura ecclesiastica57, das ist das
christlich aufsehens der eltesten, welchs mit großem
ernst verrichtet wird. Wo man nun nicht allen son-
tag sondern selten das nachtmal des Herren helt,
da kommen die eltesten auf einen tag in der nehe-
sten wochen zuvor, wenn die predigt und alles, so
man in der gemeinen versamlung zu handeln pflegt,
ein ende hat, zusamen und befragen sich mit fleiß
durcheinander, ob auch etliche seien, welche man
den tag zuvor, ehe das nachtmal gehalten wird, so
sie sich anzeigen würden, fleißig verhören, ernstlich
vermanen, oder auch ein zeitlang vom tisch des
Herrn abhalten solt. Wo mans aber allen sontag helt,
da ist nicht vonnöten, daß eben derhalben ein be-
sondere versamlung der senioren angestellet werde,
dieweil sie sonsten, wenn sie zu gewisser zeit beiein-
ander seind, alwegen auch hievon sich underreden.
Derhalben, nachdem es in keinem weg zu gestatten
ist, daß unbekante, unverhorete leut, von welcher
glauben, meinung, leben und wandel man kein ge-
wiß zeugnus hat, das nachtmal des Herrn mit an-
dern gleubigen entpfahen, halten wir den brauch,
daß alle diejenigen, so zum tisch des Herrn gehen
wollen, müssen sich anzeigen und für dem pfarherr,

57 Vgl. die Kasseler KO 1539, S. 120 und der Erfurter
Druck, S. 122f. Anm. k.

kaplan und eltesten hergehen, daß dieselbigen einen
jeden kennen und, da es die not erfordert, ansprechen
könten58. Wenn sie denn nun also herfürtreten, wirds
auf diese weise mit ihnen gehalten.
1. Gehen viel fürüber, welchen von den eltesten
nichts gesagt wird, darumb daß ihr glaub, erkantnus
christlicher lehr und aufrichtiger, erbarer wandel
gnugsam offenbar und ihnen wol bekant ist. Wo aber
doch derselbigen einer ein anliegens in seinem gewis-
sen hette und sich selbs nicht gnug prüfen und zum
tisch des Herrn bereiten könte und derwegen einen
aus den kirchendienern anzusprechen und umb rat
zu fragen bedacht were, dieser bleibt selbs stehen,
bis so lang die andern alle fürübergangen und sich
angezeigt haben, daranch gehet er, zu welchem die-
ner er will, und underredet sich mit ihm.
2. Ethche aber werden von den senioribus gehei-
ßen, die sollen warten und verzihen, und darnach
angeredt und gefragt. Denn wenn sie irgends eines
gewar werden, so zuvor niemals seinen christlichen
glauben für der ganzen gemeine oder zum wenigsten
in aller senioren gegenwertigkeit bekant hat, den
lassen sie bleiben, auf daß sie von ihm forschen und
anhören seines glaubens bekantnus und erklerung
der heuptstück christlicher lehr.
3. Dergleichen halten sie es, wenn etliche fürüber-
gehen, welche sie achten, so jung sein, daß sie die
sachen unserer religion und tiefen geheimnus des
heiligen nachtmals nicht wol fassen und verstehen
könten; denn solche muß man verhören und vol-
komlicher underrichten.
4. Sie reden auch die an, welche sie wissen, daß
sie lange zeit das nachtmal nicht gebraucht haben;
denn auch dieselbigen müssen underwiesen werden,
sollen sie es anderst rechtschaffen gebrauchen. Und
soll man sie zum wenigsten fragen, warumb sie sich
so lang enthalten haben und aus was ursachen sie
sich nun wider darzu finden.
5. Wenn sie vermerken, daß etliche mit underlau-
fen wollen, so kurz zuvor umb einer ursach willen
(ob die gleich noch nicht offenbar und jederman be-
kant) in der versamlung der eltesten vermanet und
gestraft weren und doch nicht, ob sie zum tisch des
58 Vgl. Kölnische Reformation 1543, Bl. 109r.

315
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften