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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0352
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Kirchenordnung 1566

in Hiob43; in Cypriano, in sermone de mortalitate44;
item lib. 1 epist. 7 in Hyeronimo ad Pammachium45.
Über das alles haben sie auch darzu besondere
grabstedte und kirchhöfe gehabt, welche sie χοιμη-
τηοια, das ist schlaffheuser, genent haben, als da die
leichnam der gleubigen nach ihrem zeitlichen ab-
sterben ruhen und schlaffen, gewisser hoffnung, wie
Job sagt cap. 19 [25 ff.], daß eben dieselbige leibe, das-
selbige fleisch, das υειτλιψη gestorben und begraben,
auch sonst auf mancherlei weise umbkommen, ver-
faulet und verwesen, von Christo dem Herrn auf-
erweckt, widerumb auferstehen, herfürkommen und
lebendig werden soll in unaussprechlicher klarheit
und herrligkeit, nemlich dem verklerten leibe Christi
ehnlich gemacht. Daher sie auch solche stette herr-
lich und ehrlich gehalten und mit großer gottes-
furcht, so sie etwa darüber gangen, sich beide, des
tods und auferstehung, erinnert und ermanet haben,
bedenkende, daß da viel leibe ligen, die etwan hie
des heiligen Geists wonung und tempel gewesen, den
kirchen gedienet und gemeinen nutz geschafft, und
haben also Gott für seine große gnade gedankt und
sich selbst auch zur buß und glauben bewegt.
Derhalben helt man es in unsern kirchen mit dem
begrebnus also:
Wenn ein gleubiger aus diesem leben abgescheiden
ist, vornemhch so er sich der gemeinschaft der kir-
chen und auch des heiligen nachtmals gebraucht,
wird solchs dem pfarherr und kaplan angezeigt und
offenbaret, damit er wisse, sich zur gewissen bestimp-
ter stunde einzuhalten und mit der leiche zum grabe
zu gehen. Die stunde aber der begrebnus zu bestim-
men, steht einer jeden kirchen frei nach ihrer ge-
legenheit.
Wenn die stunde der begrebnus verhanden, gibt
man des an etlichen ortern ein zeichen durch den
glockenklank, damit sich der diener des worts und
die nachbauren, ja, die kirchen und gemein für das
haus und ort versamlen, darin der entschlaffne ligt
43 Vgl. Anonymus in Job, lib. 3, MPG- 17, 501f.
44 Cyprian, De mortalitate 18. 23; MPL 4, 594f. 599;
CSEL 3, I, 308. 31 1 f.
45 Hieronymus, ep. 66, 1; MPL 22, 639; CSEL 54,
647 f.
46 Wackernagel 3, 10 Nr. 12; Evgl. Kgb. 309.
47 Vgl. Ambrosius, De excessu fratris sui Satyri; MPL
16, 1345ff.; CSEL 73, 209ff.; De obitu Valentiniani

und daraus zum grabe zu tragen ist, an etlichen
ortern, vornemhch da schuler seind, werden auch
beruffen schulmeister und schüler, nachdem die
freundschaft des entschlaffnen gesinnet sein, und so
dieselbigen gefordert, werden etliche psalmen gesun-
gen, darzu dienlich, und der entschlaffne von et-
lichen christen ehrlich zum grabe getragen, welchen
die kirche und gemein volget in ihrer ordnung. Wenn
man nun also zur statt der begbrebnus kompt, es
seien die schüler verhanden oder nicht, so singt die
kirche daselbst oder im nechst daran gelegen tem-
pel: Mitten wir im leben46, etc. Nach diesem gesang
tut der pfarherr oder kaplan ein kurze sermon von
oben angezeigten sachen, gleich wie von den alten
der ersten kirchen auch beschehen und man auch
sihet in der leichpredig sermonem von Ambrosio47,
Nazianzeno48 dergleichen beschehen. Nach gesche-
hener vermanung aufs kurzst begriffen (wie man
denn der leichpredig viel und mancherlei befindet),
beschleußt er sie mit dem gebet unsers Herrn Chri-
sti, welchs mit ihm die ganze kirche betet oder ein
jeder bei sich selbst heimlich zu Gott tut. Nach ge-
tanem gebet spricht der diener: Der Herr sei mit
euch.
Laßt uns beten49: Almechtiger Herre Gott, ein
Vatter unsers heilands Jhesu Christi, wir sagen dir
lob und dank, daß du dein gliedmaß aber unser mit-
glied in rechter erkantnus und glauben dein und
deines lieben Sohns Jhesu Christi bracht und beruffen
hast, auch darin von diesem jamertal der welt in
dein ewigs und herrhchs reich gefordert und auf-
genommen, befehlen derhalben nun hinforter solchs
dieser deiner gnaden und herrligkeit, zu welcher du
es in Christo aufgenommen hast, bittende von her-
zen, du wöllest dein gabe und hilf, so du uns durch
sein absterben entzogen, durch andere reichlich er-
statten, aber es bei unserm Herrn Jhesu Christo, dem
heiland dieses elenden lebens, reichlich ergetzen,
auch uns alle im glauben der seligen auferstehung,
consolatio; MPL 16, 1417 ff.; CSEL 73, 329 ff.; De
obitu Theodosii; CSEL 73, 371 ff.
48 Gregorius Naz., Oratio 18; MPC 35, 985ff.; Oratio
43; MPC 36, 493ff.
49 Von ,,laßt uns“ bis zum Schluß: in die Agende von
1574 eingegangen. Vgl. auch das Gebet Kölnische
Reformation 1543, Bl. 132r.

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