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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0376
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Abschied 1571

[7] Fernes und zum siebenden, nachdem nit allein
diesmals dem synodo alhier vorkommen31, sondern
auch sonsten leider zu viel kundbar ist und taglichen
je lenger je mehr gesehen und gespuret wurde, daß
wider die gottliche einsetzung des heiligen ehestands,
burgerliche zucht, auch hiebevor ausgangene ord-
nungen und gemeine beschriebene recht die heim-
lichen verlobnussen und winkelehe zusampt den
onerbaren auch ongepurlichen fleischlichen ver-
mischungen uberhand nemen, daraus vielfaltiger
greulicher unrat, schwerer meineid und sonsten viel
andere merkliche große ergernussen, unrichtigkeiten
und mengel erwachsen, auch der kinder ungehorsamb
jegen ihre eltern umb soviel desto mehr gehalsstarkt
wird, so sehen die hern superintendentes, pfarhern
und theologi vor guet an, wie dan dasselbig zuvor-
derst unsere gnedige fursten und hern gnedig erwo-
gen und ihnen proponiren lassen, daß zu vorkom-
mung und abwendung aller solcher beschwerden und
erhaltung gemeiner zucht und erbarkeit, auch kind-
lichen schuldigen gehorsambs jegen die eltern die
winkelehen insgemein verbotten und vor unbundig
gehalten wurden, es were gleich die carnalis copula
darzu kommen oder nicht, bevorab so junge personen
aus onbeclachtiger brunst und leichtfertigkeit ohn
allen rat und vorwissen ihrer eltern oder vormunder
mehrerteils auch aus betrug und falsch und je bis-
weilen durch verheißung, schenkung oder sonsten
durch unwissenheit verfuret, sich zusamen verlob-
ten und die eltern auf einer oder der andern seiten
pilliche und rechtmeßige ursachen hetten, denselben
verlobnussen zu contradiciren.
Und daß nicht allein die beide, so sich also heim-
lichen und ohnzemblichen miteinander ehelich ver-
pflichtet, sondern auch zugleich alle diejenigen, so zu
solcher der kinder ongehorsamb und onrechtmeßi-
gen eheverlobnussen hinder den eltern geraten und
geholfen in gepürliche straf genommen wurden.
Da aber32 gleichwohl auch eltern weren, die mit

31 Dieser siebente Verhandlungspunkt folgt den In-
struktionen der Landgrafen, und zwar: der erste Ab-
schnitt der gemeinsamen Instruktion, der zweite Ab-
schnitt der Instruktion Ludwigs, der dritte Ab-
schnitt in seinem ersten Teil der Instruktion Lud-
wigs, in seinern zweiten Teil der gemeinsamen In-
struktion, der vierte, fünfte und sechste Abschnitt

verehelichung ihrer kinder die erbar- und pilligkeit
nit bedenken, sondern derselben verheuratung ge-
ferlicher oder eigennutziger weis in die harre ohne
merkliche erhebliche rechtmessige ursachen ufziehen
oder etwan ihres geizes willen die kinder gar vom
freien abhalten wolten, und doch nichts desto weni-
ger söhne oder töchter zum freien geneigt weren und
ihre manbare jare und alter erreicht hetten, so möchte
der oder die ihre eltern oder vormunder heirats hal-
ber selbst ansprechen oder durch mittelpersonen
ansprechen lassen, auch letzlichen im fall der eltern
beharlichen verweigerns die obrigkeit anlangen,
welche darauf die eltern oder vormunder vorzufor-
dern und da keine erhebliche ursachen des verwei-
gerns durch sie die eltern oder vormunder vorpracht,
dieselbe alsdan dahin zu vermogen, ihren consens
und willen darzu zu geben und also die ehestiftungen
zwischen solchen personen, darunter einige unge-
purliche ungleicheit oder verhinderliche ursachen
nicht vermerkt wurde, zu befordern und zu ratifi-
ciren wissen.
Darmit auch meniglichen sich der onerbarn heim-
lichen vermischung vor offentlicher vollenziehung
der ehe zu enthalten und umb so viel desto mehr der
offentlichen erbarkeit, zuchtigen wandels und wesens
zu befleißigen habe, so wurdet ferners bedacht, daß
wie in andern der Augspurgischen Confession ver-
wandten also auch in diesem furstentumb denjeni-
gen, so per carnalem copulam zusamen kommen, mit
nichten verstattet oder zugelassen, offentliche hoch-
zeit zuhalten, daß auch die frauen personen ohne
kränz zu kirchen gehen und in diesem fall des in
anno 56 gehaltenen synodi vierzehender articul ge-
halten werde33.
Und dieweil bei diesem puncten sonderlichen er-
regt34, wie aus dem, daß die geschwechte jungfrauen
es darfur halten, daß derjenig, so sie ihrer jungfreu-
lichen ehren entsetzt, sie entweder zur ehe nemen,
oder ihr zum wenigsten dreißig gulden geben musse,
in einzelnen Teilen wiederum der gemeinsamen In-
struktion der beiden Landgrafen.
32 Zur Herleitung dieses Abschnittes vgl. die vorige Anm.
33 Vgl. Quellen III, 802 S. 239.
34 Vgl. die Instruktion der beiden Landgrafen, die sich
auf die Reformationsordnung 1526 bezieht, vgl. oben
S. 40.

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