Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0377
License: Free access  - all rights reserved
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Abschied, 1571

uberschwenkliche viele unzucht, sonderlich aber uf
den dorfen und under dem gemeinen man entstehe
und verursacht werde, darmit dan derselben ohn-
zucht desto mehr gesteuret, so bedachten die herrn
superintendenten und theologi noch weiters, ob nit
das ein weg were, daß diejenige, so aus lauterer leicht-
fertigkeit und buberei sich ihrer jungfreulichen eh-
ren entsetzen lassen, hinforter von dem täter dero-
wegen etwas, es sei der ehe oder aussteurung halber
in recht zu fordern nicht macht haben, doch nichts
desto weniger beide teil durch unsere g.f. und herrn
von wegen solches ihres ohnzuchtigen lebens und
wesens andern zu abscheu mit mehrerem ernst ge-
straft werden solten, darmit also die große buberei
und ohnzucht, so hin und wider mehr als zue viel
uberhand genommen, soviel immer möglich, coercirt
werde.
Ferners wiewohl auf hiebevor in anno etc. 56 und
69 gehaltenen synodis35 der graduum halber con-
sanguinitatis et affinitatis, wie weit in der beseit-
linien die ehe zulessig sei oder nicht, vergleichung
beschehen, so ist doch itzunder erregt worden36, daß
derselben halben allerhand irrung und mißverstand
hin und wider sich erzeigen sollen und daß die hohe
notturft erfordere, indem dermal eins ein solche ge-
wißheit zu verordnen, darnach sich ein ider super-
intendens in seinem bezirk zuverlessig hab zu rich-
ten.
Wiewohl nun nit ohn, daß in37 weltlichen, keiser-
wie auch zuvorderst in gottlichen rechten die pro-
hibitio graduum sich so gar weit in linea collaterali
nicht erstreckt, so wurdet gleichwohl darbei erwo-
gen, daß in itziger argen bosen welt viel mit ihrem
heuraten auch uber gottliche und naturliche zucht
und erbarkeit zu schreiten gar kein scheuens tragen,
welchem je nit raum gegeben, viel weniger solcher
frecheit und abscheulichen ergernus die tuer zu off-
nen.
Und dieweil in den eheverlobnussen nicht allein
was oben frei gelassen, sondern auch was gepurlich

35 Zur Synode von 1556 vgl. Quellen III, 802 S. 239;
zur Synode von 1569 vgl. oben S. 352.
36 Vgl. die Instruktion Ludwigs.
37 Die folgenden beiden Abschnitte sind weitgehend
der Instruktion Ludwigs entnommen.
38 Vgl. S. 348.

und ein wolstand ist, vornemblich aber uf das her-
kommen, die erbarkeit und aller anderer genach-
parter kirchengepreuch zu sehen, daß es demnach
bei des in anno etc. 68 gehaltenem synodi beden-
ken38 hierein zu lassen, daß nemblichen die bluts-
verwandten und schwoger sich in primo et secundo
gradu durchaus und in tertio gradu lineae inaequalis
gleicher gestalt zueinander zu verehelichen genz-
lichen enthielten. In tertio gradu lineae aequalis
aber das matrimonium anderst nicht dan ex dispen-
satione unserer gnedigen fursten und herren und aus
sonderlichen bedenklichen ursachen zugelassen. Dan
je ein ider in dieser volkreichen welt seins gleichen
wohl bekommen mage und neben dem, daß aus den
so gar nahe gesiepten verheuratungen allerhand be-
schwerungen je bisweilen gespurt, ist auch zu be-
trachten, daß man sich hierin mit anderer der Augs-
purgischen Confession verwanten chur- und fursten
und unserer genachparten satzungen hierin pillich
zu vergleichen habe, darmit in diesem furstentumb
nit eben diejenige einander zu ehelichen zugelassen,
deren gradus sonsten an andern orten und ringsumb-
hero verbotten, darmit also der unsern kindern an-
derstwohe auch an gepurender erbschaft und son
sten nicht nachteil oder schaden zu gewarten.
[8] Zum achten ist nach verrichtung vorgehender
puncten bei den herrn superintendenten auch er-
innerung beschehen39, daß sie aus der ausgangenen
kirchenordnung ein agenda fertigen, gleicher gestalt
auch die beide ordnungen, so der visitation und
kirchenzucht halber in vor jaren zu Zigenhain uf-
gericht sein40, verlesen und, welcher gestalt dieselbi-
gen zu bessern, unsern g.f. und herren ihr ratlichs
guet bedunken undertenig eroffnen wolten.
Daruf zuvorderst ein agenda deliniiret, welche
in mehrerteils puncten von allen superintendenten
approbiret, aber der apostel tag halber, so nur mit
den frupredigten gehalten und sonsten nachmittag
im oberfurstentumb und den graveschaften weiters
nit gefeiret werden, ist ein discrepanz eingefallen,
39 Vgl. wiederum die Instruktion der beiden Land-
grafen.
40 Vgl. die Visitationsordnung 1537, Text Nr. 7, S. 82ff.
und die Ziegenhainer Zuchtordnung 1539, Text Nr.
9, S. lOlff.

361
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften