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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0415
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Reformationsordnung 1572

entlichen dieselben gesellen an statt der geldstraf,
wo vonnöten, ein tag oder etzliche in burgerliche
haft und gefengnus setzen, ob sie dardurch zur besse-
rung zu bewegen und zu bringen seien.
Es soll auch under den predigten und, wann man
catechismum lehret, niemands auf dem kirchhof
spazieren gehn oder stehn, sondern, welcher darüber
spazirent oder sonst unnützlich schwetzend auf dem
kirchhof erfunden wird, der soll, so oft er befunden
wird, vier alb. zur straf in gottskasten zu stund an
geben, darauf auch unsere beampten, predicanten,
kirchendiener und seniores mit fleiß sehen sollen.
Als auch bisweilen beids, in stetten und dörfern,
des sontags vor und under der predige gefahren und
damit nicht allein dem dritten gebot Gottes zuwider
der feiertag entheiliget, sondern auch andere leut
durch solch fahren und gerümpel an gehör des gött-
lichen worts gehindert werden, so wöllen wir solch
fahren auf die sontag hiermit ernstlich und bei peen
zweier gülden verboten haben, es wer dann sach, daß
es die höchste notturft erforderte und mit vorwissen
unserer schultheißen beschehe, die doch solchs dem
pfarherr, und warumb es beschicht, zuvor anzeigen
und ohne dessen bewilligung nicht erlauben sollen.
[5] Von cristallensehern, warsagern und
abergleubigen
Dieweil auch oftmals leut erfunden werden, die
zum teil aus bosheit, zum teil aus einfalt und unver-
stand mit cristallensehen, warsagen, segen und an-
dern dergleichen aberglaubischen dingen umbge-
hen17 solchs aber Gottes wort zuwider und ein große
sünd ist, so sollen unsere superintendenten und pre-
dicanten das volk in gemein und diejenigen, so sie
hiermit befleckt sein vermerken, insonderheit mit
vermahnen, lehren und underrichten von solchen
sündlichen verbotenen dingen treülich abweisen, und
söllen unsere beampten eines jeden orts nach den
cristallensehern und weissagern greifen, die zu haf-
ten bringen und es uns zu erkennen geben, damit sie
ihre gebührende straf, die ihnen nach gelegenheit
und befindung an leib und läben on alle barmherzig-
17 Zum Verbot der Kristallomantie vgl. Kirchenzucht-
ordnung 1543, Abschn. 8, S. 153. Dem Abschn. der
Ordnung liegt jedoch eher der Abschied der General-
synode 1571, Abschn. 3, S. 355 f. zugrunde.

keit widerfahren soll, empfangen mögen. Desglei-
chen sollen auch unsere beampten auf diejenigen, so
sich obgemelten dingen anhengig machen, zu den
wahrsagern und cristallensehern laufen und sich bei
ihnen rats erfragen, gute achtung geben, sie darvor
warnen und durch die pfarherrn und seniores war-
nen und abwenden und diejenigen, so sich auf vor-
gehende verwarnung nicht wöllen abwenden lassen,
gleicher gestalt einziehen, sie an leib und gut nach
gelegenheit der überfahrung haben zu strafen.
[6] Von widerteufern
Nachdem wir auch im werk befinden, daß die
widerteufer18 sich hin und her wieder underzuschlei-
fen, auch ihre heimliche conventicul und zusamen-
künften zu halten und das arm gemeine volk mit
ihren verführischen lehren von dem rechten weg
unserer säligkeit zum verderben abzuleiten under-
stehn, so söllen unsere beampten, wie auch die super-
intendenten und predicanten in allen und jeden
ampten auf solche der widerteufer heimliche conven-
ticula und zusamenkünften fleißig aufmerkens ha-
ben und dieselben mit nichten gestatten, sondern
die verstören und darjegen alle verhinderliche mit-
tel nach gelegenheit vornehmen. Insonderheit aber,
da etzliche, es seien gleich mann- oder weibsperso-
nen, mit dieser sect behaftet befunden würden, die soll
ein jeder pfarherr, under dessen pfarren sie gesessen,
seinem superintendenten alsbald namhaftig machen,
der sich den negsten dahin verfügen oder nach ge-
legenheit den widerteufer neben dem pfarherr vor-
bescheiden, denselben mit allen treüwen fleiß und
sanftmütigkeit aus Gottes wort seins irtumbs under-
richten und mit widerlegung desselben lehren, ver-
mahnen und underweisen, nach möglichheit wider
auf den rechten weg führen und bringen. Wo dann
ein solcher widerteufer auf seinem gefaßten irtumb
beharren und sich, wie zu besorgen, mit wahrer
schrift nicht davon weisen lassen wölte, so sollen
unsere beampten auf der superintendenten bericht
und anzeig dem oder denen, die erzelter gestalt hal-
starrig und auf ihrem groben mißverstand bleiben,
18 Vgl. die Bestimmungen gegen die Wiedertäufer, auf
die sich dieser Abschnitt stützt: Abschied der Gene-
ralsynode 1571, Abschn. 2, S. 355; Visitationsord-
nung 1537, Abschn. 15. 20. 31ff., S. 88ff.

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