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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0419
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Reformationsordnung 1572

lich, in ansehung, daß sich die felle auf mancherlei
weis zutragen und es am allermeinsten an eigentlicher
und fleißiger betrachtung der umbstende gelegen
sein will, jedoch darmit nicht allein unsere zun ehe-
sachen verordente geistliche und weltliche richter
etzliche gewisse reguln, darnach sie sich in entschei-
dung dieser sachen zu richten haben, sondern auch
diejenigen, so sich diesem unserm verbot zuwider
heimlich und zur ungebür verloben oder vermischen,
vorhin, was ihnen für ein sentenz gefallen werde,
einer maßen wissen und sich umb so viel mehr vor
schand, schaden und unehren hüten mögen, so set-
zen, ordnen und wöllen wir:
Erstlich, wann ein jungfrau, magd oder witwe ein
mansperson und hergegen ein mansperson ein weibs-
bild, sie sei jungfrau, magd oder witwe, umb die ehe
aus kraft eines heimlichen verlübnus anspricht und
dessen keine genugsame beweisung hat, so soll der be-
klagte teil, so der zusage nicht gestehet, ohn mittel ab-
solviert und kein teil mit dem eid beschwert werden.
Wann aber beide teil des heimlichen eheverlübnus
gestünden oder dasselbig sonstet zur notturft erwie-
sen werden könte und die eltern oder diejenige, so
an stadt der eltern seind, auf einer oder der andern
seiten in die volnziehung der ehe nicht willigen wol-
ten, hetten dann die eltern ihrer contradiction und
verweigerung billiche ursachen, als daß ihr kind
minderjärig, nemblich, so es ein weibsbild under
achtzehen oder ein mansperson under zwenzig jaren
und daher die zusag vermutlich aus unverstand der
jugend, aus unbedechtiger brunst oder leichtfertig-
keit getan, item von andern listig darzu inducirt und
angereizt, item daß ein ungleichheit der personen
ihres stands und herkommens, item daß eines oder
das ander eines bübischen leichtfertigen lebens und
bösen gerüchts oder auch abscheulicher erbsuchten
bezichtigt und überwiesen, so soll solch heimlich
verlübnus retractirt, vor kein ehe gehalten und die
kinder ihren eltern zu schuldigem gehorsam heim-
gewiesen, nichts destaweniger aber diejenigen, so
bei einem solchen heimlichen verlübnus über und an
gewesen, oder sonstet darzu geholfen und geraten
hetten, nach gelegenheit in gebürliche straf genom-
men werden.
Wo aber darüber solche personen unerachtet ihrer
24 Vgl. Anm. 23.

eltern verweigerung sich ehelich zusamen teten, so
sollen die eltern der mitgift halber unverpflichtet,
auch ihnen sonstet frei und bevor stehn, in ihren
testamenten und letzten willensverordnungen solchs
ungehorsams jegen denselben ihren kindern, ob sie
wöllen, zu gedenken.
Gleich wie nun den kindern vermög göttlicher und
weltlicher recht und aus kraft schuldiges gehorsams
die ehe anders nicht dann mit ihrer eltern rat, wissen
und willen anzufahen gebürt24, also sollen auch her-
wider die eltern sich ihrer gewalt jegen den kindern
nicht mißbrauchen, indem sie dieselben nach er-
reichten mannbaren jaren von ehrlichen heuraten,
vielleicht aus kargheit oder dergleichen untüchtigen
ursachen, abhalten oder sonstet nicht darzu ver-
helfen, oder sie auch wider ihren willen zu mißfelli-
gen heuraten nötigen wolten, dann da hierdurch die
kinder, so beiderseits ihre volnkommene mannbare
jare erreicht und einander ebenbürtig weren, zu
heimlichen ehegelübden ohne betrug oder hinder-
listigkeit verursacht und die eltern keine erhebliche
inrede darwider hetten, so sollen sie ihres unfuges
mit ernst underrichtet und auf die volnziehung der
ehe gehandlet, wie auch im gegenfall, da man die
kinder wider ihren willen zu mißfelligen heuraten
zwingen wolte, die eltern darvon abgewiesen und
den kindern ihres willens freiheit, soviel sich desfals
von rechts wegen gezimpt, nachgegeben werden soll.
Zum andern, wann nicht allein auf ein bloß ehe-
gelübd, sondern darneben auch geklagt würde, daß
die fleischliche vermischung darauf gevolgt wer, wird
dann dessen bbeids gestanden, oder kan sonstet zur
notturft erwiesen werden, so soll unerachtet der
eltern verwegerung, die ihre kinder nicht besser er-
zogen haben, auf volnziehung der ehe gehandlet
werden, es were dann sach, daß der beklagte teil zu
diesen dingen mit list und betrüglichem aufsatz in-
ducirt und angereizt und daher auch seiner jugend
und dergleichen erheblicher ursachen wegen billich
vor entschuldigt zu halten wer.
Wofern aber in einem solchen fall der beklagte teil
allein des beischlafens und keiner eheversprechung
gestünd, auch dieselbige nicht erwiesen werden
könte, seind dann die beiden personen ihres stands,
herkommens und alters halber einander ebenbürtig,
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