Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0463
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Agende 1574

Darnach sprech er weiter:
Desselbigengleichen nam er auch den kelch nach
dem abendmal und sprach: Nehmet hin und trinket
alle daraus. Dieser kelch ist das neuwe testament in
meinem blut, das für euch vergossen wird zur ver-
gebung der sünden. Solches tut, so oft ihrs trinket,
zu meinem gedechtnus.
Und auf solche wort reiche man denn auch dem
kranken das blut des Herrn also sprechend:
Das blut unsers Herrn Jesu Christi, für deine
sünde vergossen, sterke und beware dich in rechtem
glauben zum ewigen leben. Amen.
Darnach spreche man mit dem kranken den liun-
dertundsechzehenden psalm31:
Lobet den Herrn, alle heiden, preiset ihn, aile
völker, denn seine gnade und warheit waltet über
uns in ewigkeit. Alleluia.
Oder, so man wili, mag man sprechen den hundert-
unddritten psalm.
Lobe den Herren, meine seele, und was in mir ist,
seinen heiligen namen32.
Der Herr segne dich und behute dich, der Herr
erleucht sein angesicht uber dich und sei dir gnedig,
der Herr erhebe sein angesicht auf dich und gebe
dir friede.
Man mag auch nach der communion und sonsten
dem kranken etliche schöne trostpsalmen, so er lust
und andacht darzu hat, aus dem psalter fürlesen,
als den einundneunzigsten: Wer under dem schirm
des höchsten sitzet; item den hundertundachtzehen-
den, das schöne Confitemini33; den fünfundzwenzig-
sten und dergleichen. Und soll sonderlich der krank
nach gehaltener communion und sonsten dahin mit
fleiß angewiesen werden, daß er sich Gott befehl und
ihm alle seine sachen zu seinem göttlichen und gne-
digen willen heimstefle. Wölt ihn Gott von diesem
leben abfordern, daß er ihm dann zu folgen und ge-
horchen willig und bereit sei, in betrachtung, daß
dardurch ihm weiter zu sündigen und Gott zu er-
zörnen alle ursachen benommen und abgeschnitten
werden, daß er von allem jammer und elend, von

31 = Ps. 117. Die Agende folgt hier der Zählung der
sächsischen Agende, die sich der Vulgata anschließt.
32 Die Agende bietet hier den vollständigen Text des
103. Psalms, in der Übersetzung Luthers.

aller untreuAV dieser bösen gottlosen welt erlöset und
zu Gott in seine ewige ruhe und herrflgkeit aufge-
nommen wird. Da es aber Gott gefiele, ihn lenger
allhie in diesem leben zu behalten, daß er alsdann
die väterflche zuchtigung erkennen und hinfort sein
leben bessern wolt.
Es soll auch der kirchencliener den kranken oft-
mals auch nach gehaltener communion ersuchen,
ihn mit Gottes wort erinnern, sterken und trösten,
zur gecluld und gebet vermanen, underweilen auch
selbst mit ihm beten, doch allwegen mit der rnodera-
tion, daß die gelegenheit des kranken bedacht und
mit vielfaltigem, langem und unzeitigem geschwetz
er nicht etwa mehr irre gemacht und betrübet, dann
underwiesen und getröstet werde. Und da es ans
eußerst kommen wolt, daß er jetzunder mit dem tod
fechten und von dieser welt abscheiden solt, soll er
mit ihm beten den glauben und am ende heißen
sagen: Herr, in deine hende befehle ich meinen geist,
und ihn stetigs des Herren Christi und seines ver-
dienstes erinnern, damit er also in warem glauben
bestenclig bleibe bis zum ende.
Es seind viel sprüch im alten und neuwen testa-
ment, welche dem kranken, so lang er bei guter ver-
nunft bleibt, künten mit nutz vorgehalten werden. Es
seind aber hierzu für allen andern diese fast dienlich34;
Joan. 3. [16f.]: Also hat Gott die welt geliebet,
daß er seinen eingebornen sohne gab, daß alle, die
an ihn gleuben, nicht verloren werden, sondern das
ewig leben haben. Denn Gott hat seinen sohn nicht
gesandt in die welt, daß er die welt richte, sonder
daß die welt durch ihn selig werde.
Item [Joh 3, 36]: Wer an den sohne gleubt, der hat
das ewig leben. Wer dem sohne nicht gleubt, der
wird das leben nicht sehen, sonder der zorn Gottes
bleibt über ihm.
Joann. 5. [24]: Warlich, warlich, sage ich euch
(spricht der Herr Jesus), wer mein wort höret und
gleubet dem, der mich gesanclt hat, der hat das ewige
leben und kompt nicht in das gericht, sondern er ist
vom tod zum leben hindurchgedrungen.
33 So nach dem Beginn des Psalms in der Übersetzung
der Vulgata zitiert.
34 Zur Tradition von Spruchsammlungen und Gebeten
in den reformatorischen Sterhehüchern vgl. L.
Klein aaO. S. 89f.

447
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften