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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (8. Band = Hessen, 1. Hälfte): Die gemeinsamen Ordnungen — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1965

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https://doi.org/10.11588/diglit.30457#0467
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Agende 1574

superintendens nach einem frommen geierten mann
trachten, welcher entweder zuvor im predigampt
gewesen oder an denen örtern studirt, da man Got-
tes wort rein und lauter zu tradiren und zu lehren
pflegt, und gute gezeugnus habe und auflegen künte
nicht allein seiner erudition und geschicklichkeit,
sondern auch seines bis daher gefiirten lebens und
wandels (es söllen aber solche testimonia fiirnemb-
lich von der facultate theologica zu Marpurg oder
anderer evangelischer universiteten ausbracht wer-
den). Denselbigen soll er der superintendens in
gegenwertigkeit der pfarherrn, die er zu rat zuziehen
pflegt, examiniren und ein predigt von ihm hören,
und da er zum predigampt gnugsam befunden, der
gemeine, so eines pfarherrn betiirftig, zuschicken
und daselbst auch ein predigt tun lassen. Wann dann
die gemein seiner lehr und lebens halber keinen
mangel an ihm hat, auch sonst kein erheblich ur-
sach, warumb sie ihn nicht gern zum pfarherrn ha-
ben wöllen, anzuzeigen weiß, sofl ihn der superinten-
dens zum pfarherrn annemen und bestetigen, doch
mit dem bescheid, so es ein stadt oder sonstet ein
namhaftiger ort ist, daß ohn vorwissen und bewilli-
gung des landsfürsten nichts fürgenommen noch be-
schlossen werde.
Wann aber die collatur nicht dem landsfiirsten,
sondern etwa einer andern herrschaft oder einem vom
adel zustendig ist, sollen die pfarleut bei den colla-
toribus ansuchen, daß sie zum fürderlichsten dem
superintendenten eine person fürschlagen und
praesentiren, welche soll vom superintendenten, wo
fern sie von ihm und seinen adiuncten aus fürgeleg-
ten testimoniis, dergleichen aus gehaltenem examine
und angehörter seiner predigt rechtschaffen und
tüchtig erfunden wird und die pfarleut keine erheb-
liche ursach, warumb sie ihnen zum seelsorger nicht
gern haben wolten, anzuzeigen wissen, angenom-
men, eingefurt und bestetiget werden. Es söllen aber
die collatores erinnert sein, daß sie nicht ansehen
gunst, gabe, geschenk und dergleichen und diejeni-
gen obtrudiren und eindringen, damit die kirche und
gemeine Gottes nicht oder übel versorget sei, son-
dern in betrachtung, daß sie für Gottes angesicht
gleich so wol als die superintendenten von wegen der
pfarleut, so nicht gnugsam mit kirchendienern ver-
sorget seind, rechenschaft geben müssen, den super-

intendenten sampt ihren adiuncten ihre judicia frei
lassen und diejenigen allein befürdern, welche zum
predigampt gnugsam erfunden werden. Da auch
stipendiaten, so sich dem fürstentumb Hessen zu
dienen obligirt, oder andere in schulen oder kirchen
geübte und wolverdiente menner fürhanden, welche
der erudition und geschicklicheit halber dem pras-
sentirten billich fürgezogen werden möchten, daß
als dann auf christflche und freundliche der super-
intendenten erinnerung und vorschrift die collato-
res sich gutwillig erzeigen und ihr jus nicht zuviel
stricte der gemeinen kirchen Gottes zum nachteil
urgiren, sondern der aequitet und billichheit gemeß
zur uferbauwung der christiichen gemeine und aus-
breitung der ehr des heiligen göttlichen namens ge-
brauchen. Wann dann einer, so vormals im predig-
ampt nicht gewesen, jetztgedachter weise ordentlich
erwelilet und angenommen ist, derselbige soli für der
gemeine, so ihme befohlen wird, vom superintenden-
ten, oder wem es der superintendens vertrauen will,
folgender gestalt ordinirt, zum pfarherrn erldert,
eingefiihret und bestetiget werden.
1. Erstlich soll der superintendens oder der pfar-
herr, welchem an statt des superintendenten die
ordination zu verrichten befohlen, oder auch ein
anderer hierzu berufener pfarherr, dann es söllen
allwegen zwen oder drei der nechstgesessenen pfar-
herrn zu solcher action erfordert und als zeugen ad-
hibirt werden, auf ein halbe oder drei viertel einer
stunde ein precligt tun vom ampt der prediger und
zuhörer, von der summa der christlichen evangeli-
schen lehr, dahin cfle lehrer und zuhörer als auf einen
scopum allen ihren fleiß dirigiren und richtsn müs-
sen, oder von einem andern hierzu bequemen argu-
mento, und söllen am ende solcher predigt mit gro-
ßem ernst und fleiß die gemeine des orts und alle, so
dasmals gegenwertig sein, vermanet werden, daß sie
für den neuwen pfarherrn, so jetzunder zum kirchen-
diener bestetiget werden soll, Gott ganz andechtig-
lich und fleißiglich anrufen und bitten, dieweil wie
in allen andern also vornemblich in diesem hohen
und schweren ampt ohn Gottes gnads und beistand
des heiligen Geistes nichts fruchtbarlichs ausgerich-
tet und zuwegen bracht werden mag, wie der Herr
selbst sagt (Joan. 15, 5): Ohn mich küntet ihr nichts
tun. UndJoannes derTeuferspricht (Joan. 3,27): Ein

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