Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Arend, Sabine [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0083
License: Free access  - all rights reserved
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
4a. Visitationsbericht des Superintendenten Christian Zindel 1600

techeticis concionibus et exercitiis alten unnd jun-
gen in der kirchenn unnd schulen furgetragen unnd
eingebildet wurde37.| 9r |
9. Daß eine ordnung wegen der canonicaten zu
St. Goar38 mocht gemacht unnd dieselben praece-
dente examine dignioribus et quidem in primis theo-
logiae studiosis conferiret werdenn.
10. Beclagt sich der superintendens unnd sein
collega zu St. Goar, daß bei solchem feinen stifft
daselbst keine bibliotheca vorhanden; bitten unter-
thenig, daß järlich etzliche gewisse gulden zur ein-
kauffung orthodoxischer nutzlicher bucher mochten
angeordnet werden, in massen dan die alten ord-
nung39 solches mit sich bringen und im nidderfur-
stenthumb Hessen ist breuchlich.
11. Bittet speciatim gantz unterthenig der su-
perintendens, das der dechaneibauw zu St. Goar
mocht befordert unnd verfertiget werden, damit er
deromaleins zur rechten haußhaltung kommen unnd
der zinß, so sich järlich in die 15 fl erstrecket unnd
der stifft von dem entlehneten hause, darinnen er
itzo wohnet, erlegen muß, desto eher mocht fallen
unnd solch gelt anderswohin transferiret werdenn.
12. Daß der heidnische gebrauch zu St. Goar, da
nemlich die nachbauren nach gehaltener begräbniß
zusammen kommen unnd deß verstorbenen leiche,
wie sie reden, verdrinckenn40, abgeschafft werde, in-
massen solches auch l[andgraf] Philips41 der junger,
hochlöblicher und seliger gedechtniß, in anno etc.
37 Ex 20,2-17; Dtn 5,6-21. Die Gebote wurden von den
Wittenberger Theologen anders gezählt als von Zwingli
und Calvin. Während die Lutheranhänger den Beginn
(Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine fremden
Götter neben mir haben. Du sollst dir kein Bildnis ma-
chen) als ein Gebot auffassten, stellte diese Passage für
die Reformierten eine Präambel (Ich bin der Herrn, dein
Gott) und die ersten beiden Gebote dar. Demgegenüber
war der Schluss (Du sollst nicht begehren deines Näch-
sten Frau. Du sollst nicht begehren deines Nächsten
Haus) für die Reformierten nur ein Gebot, während es
die Lutheranhänger in zwei Gebote aufteilten, TRE 8,
S. 418.
38 Die Kanonikate an der Stiftskirche in St. Goar. Die
Stiftskirche diente als Residenzkirche und als Grablege
der Landgrafen von Hessen-Rheinfels, Ritter, Konfes-
sion, S. 120-127.
39 Die Kirchendienerordnung von 1537 mit dem Abschnitt
„Daß man in den pfarren bücher zu nutz der kirchen
zeugen sal“, Sehling, EKO VIII, S. 98.

[15]70 ernstlich sub poena decem florenorum ver-
bottenn42.
13. Daß die jach- unnd weibertauffe43, so Gottes
wort außtrucklich zuwidder44, daß opus operatum
mercklich stärcket unndt sonstet viel ungereimptes
ding inferiret, in der gantzen graffschafft abrogiret
werde, wie dan ich solche alhie zu St. Goar den we-
hemutter45 ernstlich verbottenn.
14. Die pfar Langenschwalbach im ampt Hoch-
stein46 wird zwar itzo mit raht deß herren oberampt-
mans versehen von einem | 9v | jungen man, weil man
keinen andern haben könnenn; dieweil er aber noch
nith gnugsam ist in religione fundiert und dieser ort
je lenger, je mehr berumpter wirdt wegen deß sau-
erbrunnens47 daselbst, also das diesen sommer aber
uff einmal in die 500 personen dagelegen, darunter
fursten, graffen, eddelleute, doctores theologiae, mi-
nistri verbi divini unnd andere furneme leute gewe-
senn, die auch deswegen mit mir geredt, so erforder-
te die hohe noturfft, daß eine gelehrte unnd in der
reinen religion wolgeubte friedfertige person ange-
ordnett unnd der itzige an einen andern ort trans-
feriret wurde. Es muste aber die besoldung, die sehr
gering ist unnd sich uber 140 reinische fl nicht er-
strecket, gebessert werden.
15. Der pfarher zu Meilingen48, ehr Gerardus
Caesar, beclagt sich, daß etzliche rodäcker49, so der
kirchen solten zugutt kommen, ins ampt Hochstein
werden gezogen; bittet unterthenig, daß solches
40 Gemeint ist der Leichenschmaus.
41 Landgraf Philipp II. von Hessen-Rheinfels (1541-1583),
siehe oben, S. 31.
42 Mandat liegt nicht vor.
43 Jähtaufe = Nottaufe, die oft durch die Hebammen vor-
genommen wurde.
44 Zuwider ist, entgegen steht.
45 Hebammen.
46 Pfarrei Langen-Schwalbach im Amt Hohenstein, heute
Bad Schwalbach im Rheingau-Taunus-Kreis.
47 Die Langen-Schwalbacher Kohlensäurequellen waren
bereits um 1569 bekannt. Der Wormser Arzt Dr. Jakob
Theodor (Tabernaemontanus) machte die Quellen 1581
in seinem Werk „New Wasserschatz“ bekannt, und be-
reits im 16. Jahrhundert setzte der Badebetrieb ein, der
vorwiegend den Adel anzog, Sante, Hessen, S. 30f.
48 Niedermeilingen im Amt Hohenstein.
49 Gerodete Äcker.

63
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften