Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0127
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
8. Konsistoriumsordnung 1610

tion, Ordination und Introduction, Da dann ein
Pfar- und Kirchendienst durch tödlichen abgang ei-
nes Pfarrherrs oder sonstet erlediget wird, soll der
Superintendens desselben orts und zircks solches
dem Consistorio sobald mit allen umbstenden und
unter andern auch, was einer solchen Pfarr Compe-
tentz und Labores, auch weme die Collatur zusten-
dig, in Schriften zuerkennen geben, und wofern die-
selbe Collatur nicht uns, dem Landtsfürsten, son-
dern andern gehörig, soll der Collator oder Patronus
den Nechsten11 eine qualificirte und tüchtige Person
unserm Consistorio nominiren und zuschicken. Wird
aber der praesentirte vom Consistorio nicht genug-
samb erfunden, soll ihnen dasselbig nicht zulassen,
sondern solches dem Collatori, eine andere tüchti-
gere Person zu praesentiren, haben zuerkennen ge-
ben und im fall, der Collator hierin fahrlessig sein
und auffs lengst in zweyen Monaten nach bescheh-
ner erledigung der Pfarr keine qualificirte Person
praesentiren würde, so soll das Consistorium ohne
alle mittel die Pfarr, darmit sie nit lenger ledig stehe
und die Leute versaumbt werden, zubestellen macht
haben, alles nach laut unserer Ordnung.
Als auch zu zeiten etzliche Collatores von den | 21 |
praesentirten nicht allein ein besonder Leib- oder
Liebnusgelt12, sondern auch wol etzliche stück und
gefelle auß den Pfarrgütern, welches sie ein Reser-
vat13 nennen, außdingen und zu sich nehmen, sol-
ches aber verbottene und unziemliche, auch der Kir-
chen an sich selbst schedliche und nachtheilige pac-
ta und gedinge seind, in dem solche reservatstücke
mit der zeit der Kirchen gar entzogen werden kön-
nen, Auch ohne das weder Prädicanten noch Colla-
toribus gebühret, daß jenne sich mit Geschenck und
Gaben in ihren beruff eintringen, diese aber sich de-
ren zur Pfarr und Gottesdienst gestiffter Güter und
gefelle unternehmen14 wolten, So wollen wir beyds,

pfarrhern versehen werden, die daßelbe auch zu thun
schuldig sein sollen ohne entgeltnis und beschwerung der
witwen oder des newen pfarrers. Forders hatt die witwe
umb ein beneficium ad dies vitae aus der verordneten
furstlichen widwensteur von uns, dem landsfursten, un-
derthenig zu bitten und zu erlangen.

Collatoribus und Praedicanten, bey verlust der Col-
latur und Pfarrdiensts auferlegt und befohlen ha-
ben, sich solcher verbottenen und straffbarer geding
und pacten abzumassen15 und zuenthalten und kei-
ner von dem andern dißfalls in einigerley weiß etwas
zunehmen und zugeniessen.
Da aber die Collatur uns, dem Landtsfürsten, zuge-
hörig ist, soll das Consistorium eine qualificirte und
zu dem verledigten orth bequemliche Person ent-
weder auß unserer Universitet oder den Schueldie-
nern auff dem Lande ad Examinandum wehlen und
vorstellen, und damit man zu solcher Wahl und Vor-
stellung desto eher gelangen möchte, sol unser Con-
sistorium darauff bedacht sein, daß sie jederzeit ei-
nen Catalogum Expectantium halten und wie ein
jeder seine studia auf unser Universitet | 22 | conti-
nuirt oder albereit in Kirchen und Schuelen sich ex-
ercirt, Item, was Leben, Wandels und erudition er
sey und was er vor Gaben zu Lehren habe, annotiren
und auffmercken.
Es sollen aber in dieser Election und Wahl alzeit die
Landkinder und Stipendiarii Majores den frembden
Und die geschickteste und tüglichste den andern
vorgezogen und in dem auff keine Gunst, Freund-
schafft oder Verwandtnus noch einigen andern pri-
vat respect gesehen werden. Jedoch, wann zween
oder mehr Competitores von gleicher oder je genug-
samer qualification zugleich verhanden wehren, soll
der jenig, dessen Vatter sich umb die Kirche und
gemeinen Nutz wohl verdient gemacht, vor den an-
dern hierunter bedacht werden, auff daß die Kinder
ihrer Eltern getrewer Dienste und wolverhaltens ge-
niessen, Die Eltern auch in hoffnung solcher recom-
pensen und ergetzlichkeit für ihre Kinder zu desto
freudiger und unverdrossener arbeit und nutzlicher
diensterzeigung gereitzt werden möchten.

11 Demnächst, bald.
12 Als Wucher angesehene zusätzliche Leistung für ein Dar-
lehen, Provision an den Darlehensgeber, DRW VIII,
Sp.1314.
13 Sonderrecht.
14 Anmaßen.
15 Zu enthalten, FWb 1, Sp. 249.

107
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften