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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0132
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Hessen-Kassel

rVon der Oberinspection des Consistorii und
andern gewöhnlichen Visitationibus
Uber daß die gewöhnliche und ordinari Visitationes
von unsern Superintendenten der Ordnung und her-
kommen gemeß fleissig gehalten und fortgesetzt
werden sollen, so soll auch unser Consistorium nich-
stoweniger [!] und ausserhalb derselben ordinari Vi-
sitationen jährlich oder wann es vor nötig und raht-
sam erachtet und sie, die Consistoriales, von andern
ihren Geschefften und laboribus etwas frist und Va-
cantz haben würden, ein Ober- und gleichsamb syn-
odalische Visitation zu dem vornemblichen zweck
und intent anstellen und halten, auff daß ein durch-
gehender richtiger Consensus in doctrina et cere-
moniis in Kirchen und Schuelen unserer Fürsten-
thumb und Lande gewahret und erhalten und alle
darwieder eingeschobene und eingeschlichene Spal-
tung und ungleichheiten, auch andere der Kirchen
Gottes schädliche ärgernussen und Schismata abge-

Von den zuhorern oder pfarkindern
Demnach es aber nicht gnugsam, das die cantzeln mit
gelertten, duchtigen und solchen predigern bestellet sein,
die da ihr ampt in allen puncten, wie obstehet, trewlich
verrichten, sondern es muß auch dahin getrachtet und
gearbeitet werden, daß das wolbestelte ministerium sei-
nen scopum und zweck, welcher ist die erbawung der
kirchen Gottes, bey den zuhorern erreichen möge. Sol-
chen zweck zu erlangen, soll unser consistorium durch
handbietung unserer beamptten dahin bedacht sein, da-
mit die leutte dem ministerio schuldigen gehorsam und
volge leisten und sich in der unterweißung also erzeigen
und verhalten, daß sie das fundament und grundt christ-
licher lehr nicht nur allein bloß dahin recitiren, sondern
auch dasjenige, so sie bekennen und glauben, verstehen
und nach der vermahnung Petri [1Petr 3,15] bereit sein
mögen zur verantworttung jederman, der grund fordere
des glaubens und hoffnung, die in ihnen ist, unnd daß sie
furs ander auch nach der gesunden lehr und unserer kir-
chenordnung [Reformationsordnung von 1572, Seh-
ling, EKO VIII, S. 395f.] christlich und heiliglich leben
und also der nahme Gottes (welches der hochste zweck
ist unsers christenthumbs) bey uns allenthalben geheili-
get werde.
Eß wird aber an diesen beyden hochnötigen puncten ein
großer mangel bey dem gemeinen volk leyder alzu sehr
gespuret, denn erstlich findet sich bey dem mehrerm
theil eine solche schreckliche unwißenheit, das sie weder
die zehen gebott [Ex 20,1-17; Dtn 5,6-21] noch die ar-
ticel des christlichen glaubens [apostolisches Glaubens-

schafft und corrigirt werden mögen, | 33 | Derentwe-
gen dann das Consistorium zu bequemer zeit alle
unsere Superintendenten zusampt den Metropoli-
tanis und andern fürnehmen Prädicanten im Lande
entweder gen Marpurgk oder einen andern gelege-
nen ort auff einen gewissen Tag beschreiben und zu-
sammen fordern und, da dieser Convent naher Mar-
purgk außgeschrieben, die samptliche Consistoriales
demselben beywohnen, So er aber an einen andern
ort gelegt, alsdann zweene auß ihrem mittel, einen
Theologum und Juris Consultum, darzu abordnen.
Jedoch sollen solche Conventus nicht zu weitleufftig
angestelt, auch jederzeit mit unserm vorwissen be-
stimbt werden, darbey das Consistorium ihre moti-
ven und uhrsachen berichten soll.
Bey diesem Ober Visitation- und synodalischem
Conventu soll nach inhalt unserer sonderbahren
hierzu verfertigten und dem Consistorio zugestelten
Instruction27 gehandlet und verfahren werden und

bekenntnis, BSLK S. 21], ja wol auch daß vatter unser
[Mt 6,9-13] nicht hersagen, am allerweinigsten aber ei-
nen rechten verstand der hauptstuck christlicher lehr
von sich geben konnen. Dahero dan volget, daß, ob sie
schon die allergelerttesten predigten hören, doch weinig
aus denselben verstehen, behaltten und sich darauß er-
bawen können. Waß kan aber aus solcher unwißenheit
und blindheit gutts volgen? Wie kan in derselben ein
rechter glaube sein? Wie kan ein solcher armer, blinder
mensch Gott recht erkennen, recht anruffen, ihme die-
nen und ihn ehren mit heiligen, gottseligen leben und
wandel? Hiraus fleust dann ferners allerhand ungehor-
sam, verachtung der kirchenzucht und disciplin, der leh-
rer, eltern und obrigkeit. Wenn denn dem also und die-
ßem grossen mangel und unheyl, dardurch der scopus
undt zweck des heiligen ministerii verfehlet, die lehre
und ehre Gottes mehr verlestert denn geheiligt wird, mit
guttem gewißen ferner nachzusehen uns zu schwer fallen
und, so viel durch Gottes gnad und ordentlich mittel im-
mer geschehen kan, zu remediren und abzuhelffen ampts
halben gebuhren will undt aber hirzu kein dienlicher mit-
tel dann ein christlich visitationwerck kan gefunden wer-
den, dadurch beits, die pfarherrn und zuhorer, in officio
mögen gotselig behaltten werden, so wollen wir, das
solch christlich visitationwerck zum forderlichsten ange-
stelt und kunfftig in stetem brauch gehalten werde.
r-r Siehe unten S. 117-119.
27 Liegt nicht vor.

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