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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0163
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12. Polizeiordnung [1574]

fen verordnet, zu geben, viellweniger sie des andern
tages wieder zuladen macht haben, darbei wir das
lang sitzen uf den weinkauffen, kindtauffen, ga-
stereyen gantz und gar verbotten und uber vier
stund mitnichten wollen gestattet haben, darauff
unsere beampten mit vleiß sehen und die verbrecher
uns zu ernster straff anheim weißen sollen, weill
auch wir, die gebruder, fursten zu Hessenn, in viel-
gedachter unßer ordnung und reformation die kir-
meß und sontagstenz, ubermeßigs fressens und sauf-
fens halber genzlich verbotten22, so lassen wir es dar-
bei nochmals bewenden und bevehlen unßern be-
ampten, dießelbig keineswegs zu gedulden, sonder
die uberfahrer vermöge itzberurter ordnung ernst-
lich zu straffen.
[4.] Von fastnacht undt mumereienn
Dieße und dergleichen heidtnische mißbreuche
seindt noch ein stuck des bäpstlichen sawrteigs23,
welche dem wortt Gottes und aller christlichen
zucht und | erbarkeitt zuwieder, als darauß aller-
handt leichtfertigkeitt, vollerey, unzucht und bal-
gerey ervolgt, darumb sie untter christen nicht sol-
ten gelitten, viell weniger gebraucht werden. Wollen
derowegen dießelbige hirmit ganz und gar abge-
schafft und menniglich verbotten haben bei der
thurn- und andern straffen, damit wir die ungehor-
same nach gelegenheitt der personen und der uber-
fahrung unnachleßiglichen zu straffen gemeint
seindt.
[5.] Von landtstreichern, hernlosenn knechten,
mußiggengern, verschwendern und spielern
Es ist beinahe kein landt in teu[t]scher nation, da es
mehr landtstreicher gibt, als alhier am Reinstrom,
dero dan nicht einerlei art ist, sinthemal etzliche
sich fur verbrantte24, etzliche für bresthaffte25 leute,
etzliche aber vor kremer, fur taglöhner oder fur bet-
22 Reformationsordnung von 1572, Sehling, EKO VIII,
S. 400-402.
23 Vgl. 1Kor 5,6.
24 Abgebrannte.
25 Gebrechliche, kranke.

ler ausgeben, darunder das mehrertheil diebe seindt,
item mörder, betrieger, falschspieler, die ire sonder-
bare geselschafften haben, welche nicht arbeiten
wöllen und sich darumb uf das betteln, rauben, ste-
len und betriegen begeben, damit sie mussig gehen
und gute faule tage haben mögen. | Dieweill dan sol-
che landtfahrer, so auch gemeiniglich huren mit
umbfuhren, unßern underthanen in viell wege erger-
lich, uberlestig und beschwerlich sein, auch nicht
underlassen, uf ersehenen iren vortheill einzubre-
chen und die unßerige des nachts oder wan sie im
feldt an irer arbeitt sein, jemmerlichen zu bestelen,
so soll solchs gesindtlein in unßer obrigkeitt ver-
möge des reichs constitution26 keinesweges gelitten,
sondern, da deroselbigen wenig oder viell in einem
unßerm flecken oder dorff ankomen wurden, den
negsten wieder zuruckgewießen werden und unßere
beampten jedes ortts uf die, so sich uf ire brieve,
welche gemeinlich falsch seind, zubettlen unterste-
hen, gute achtung nehmen, auch sie bißweilen be-
sichtigen, deßgleichen ire kleider, darin sie zun zeit-
ten verdechtige brieve, item viel geldts und anders
vernehet haben, durchsuchen lassen und, da man bei
ihnen einigen betrug oder verdacht befunde, sie zu
haften pringen und die beschaffenheitt uns umb-
stendiglich zu erkennen geben, damit wir der straff
oder ferner examination halber geburliche verord-
nung thun mögen. |
Wir wollen aber under solchen bettlern nicht
verstanden haben arme frembde, durchreißende per-
sonen, so dem bettelstab nicht nachziehen, sondern
ohn zerung oder krancksein und uff befragung rich-
tige antwortt ires reißens, heymaths, eltern und
freundschafft27 geben können, dann denselbigen die
almussen und eine nacht herberg, da sie gegen
abendt ankehmen, nicht sollen versagtt werden wie
wir solchs unßernn schulttheißen albereits in iren
bestallungen mit mehrem genediglichen uferlegtt
haben.

26 Vgl. Reichspolizeiordnung 1548, Art. 26 „Von petlern
und muessiggengern“, DRTA.JR 16/2, S. 1019; 18/3,
S. 2077; Weber, Reichspolizeiordnungen, S. 203.
27 Verwandtschaft.

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