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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0164
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Hessen-Darmstadt

Unnd auch die hernloßen knechte den landstrei-
chern nicht viell ungleich seindt und weniger nicht
als dießelbige, je bißweilen mit bößen stucken umb-
gehen, so soll ihnen crafft des reichsabschiedt28 das
garden und haußiren in unßern flecken und dorffern
mitnichten gestattet, sondern sie darvon ab- und zu-
ruckgewießen werden, daher sie seind kommen.
Wolten sie sich aber nicht weißen lassen und daru-
ber rottirn, sollen unßere beampten sie einziehen
oder mit dem glockenstreich verfolgen29, damit sie
das landt zu verschweren angehalten oder | im fall,
sie gewald gebraucht oder sonsten boße stuck be-
gangen hetten, an leib und leben gestrafft werden
mögen. Und demnach der mussigang ein brunquell
alles ubels ist30, darauß alle obgedachte gesellen iren
ursprung haben, welche, wan sie das ihre verthan,
nicht arbeitten oder hern dienen wollen, alsdan aus
dem bettlen, stelen, rauben und morden ein hand-
wergk machen, und aber demßelbigen, so viell mug-
lich, vorzukommen, einer christlichen obrigkeitt ge-
buren will, die ursachen abzuschaffen und dahin zu-
sehen, das ein jeder der undersassen etwas redlichs
handle und seinen unterhaltt mit Gott und ehren
ohn beschwerung anderer leuth, deren sawren
schweiß die mußiggenger pflegen zuverzehren, er-
werbe, so sollen unßer beampten in stedten, flecken
und dorffern sich eines jeden gelegenheitt erkundi-
gen und, da sie erfahren wurden, das jemandts mu-
ßiggienge, denßelbigen befragen, wovon er sich er-
nehre, was sein gewerb oder handthierung sey, da
dan derßelbig keinen richtigen bescheidt geben kon-
te und man so viell vermerckte, das er das sein |
verthäte oder hin und wieder mit ufborgen die leutt
betröge, so sollen unßere beampten ihme uber seine
guter vormunder setzen und ihnen zum arbeitten
anhalten oder mit unßerm vorwissen gar zum landt
außweißen, desgleichen den wurthen und mennigli-
chen einem solchen gesellen etwas ferners vorzu-
strecken oder zu reichen ernstlichen verbiethen. Es
soll auch demßelbigen auß seinen gutern nichts ge-
28 Vgl. Reichspolizeiordnung 1548, Art. 7 „Von den Hern-
losen Knechten, so sich understehen zuversamblen und
die armen Leuthe zubeschweren“, DRTA.JR 16/1,
S. 996f.; 18/3, S. 2074; Weber, Reichspolizeiordnungen,
S. 177.

volgtt werden, den es heist, wer nicht arbeittet, soll
auch nicht essen31, es were dan, das er sich beßer zur
arbeitt stelte und dem mußigang urlaub gebe oder,
da er nicht zu arbeitten hette oder sonsten kranck
were, alsdan soll ihm die notturft darauß geraicht
werden, alles nach gelegenheitt der personen und
der umbstende, darbei wir die eltern und vormunder
mit genedigem ernst wollen ermanet haben, das sie
ire kinder bei zeitten und von jugend auf, wen sie
noch zu beugen seind, ihnen selbst zu gutem, zur
schulen, zur arbeitt und ehrlichen handtierungen
oder handwercken nach eines jeden standts und ver-
mögen uferziehen und ihnen keinesweges zu faulen-
tzen gestatten, dan darauß solche gesellen werden,
die dem henker endlich an strick kommen. | Wurde
aber jemandts, dießer unßer vätterlichen, trewen
vermahnung unerachtet, seine kinder uf den mußi-
gang gewehnen, so sollen doch unßer beampten
solchs nicht guttheißen, sondern die eltern ires
amptts erinnern und ihnen bei ernster straff uferle-
gen, die kinder zur schulen oder arbeitt anzuhalten
oder von sich an andere örter zu thun, da sie etwas
lernen und arbeitten mögen, oder, im fall, sie seumig
wurden, die straff einbringen und die kinder mit
dem thurm oder andern straffen etwas zu schaffen
anweisen, oder, da sie wiederspennig und ungehor-
sam weren, uns deßen berichten, wollen wir nach
befindung darin einen andern ernst gegen sie furneh-
men lassen. Dieweill man auch viell unartiger ehe-
männer findet, das weinschlauch seindt, die gar we-
nig an ir arbeitt und haußhaltung gedencken, son-
dern stetts ihm wurtßhaus liegen und das ihre
schendtlich zupringen mit fressen, sauffen und spie-
len, underdeßen aber weib und kinder daheim sitzen
und die klawen saugen lassen32, welche darnach an-
dern leuten fur die thur gehen und sich an den bet-
telstabs gewehnen mussen, | so wollen wir unßern
beampten hirmit ernstlich bevohlen haben, das sie
solche gesellen mit der thurnstraff zur arbeitt trei-
ben, ihnen die wurthsheußer und das spielen verbie-

29 Sturmglocke läuten, DRW IV, Sp. 958.
30 Sprichwort: Müßiggang ist die Mutter aller Sünden,
Thesaurus proverbiorum medii aevi 3 (1996), S. 172f.
31 2Thess 3,10.
32 An den Fingern saugen lassen = Mangel leiden.

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