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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0166
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Hessen-Darmstadt

sonsten mit verdechtigen diengen umbgienge, zu
hafften bringen und uns oder unßere rethe darvon
berichten.
Was aber die inlendischen armen in gemein be-
langtt, da haben wir bißhero große unordnung und
mißbrauch gespurtt, indeme faule und trege leuth,
so jung und starck seind und nicht arbeiten wollen,
nicht allein die almusen zu hoff und aus dem got-
teskasten nemen, sondern auch ire kinder andern
leuten teglich fur die thur schicken und zu bettlen
gewehnen, underdeßen sie daheim mußig sitzen und
gute, faule tage haben, sehen auch ire nachbarn, von
denen ire kinder fast allen tag die almußen [ ent-
pfangen, ihm wege nicht an, das sie ihnen uf ir be-
geren umb geburliche belohnung die hauß- oder
veldarbeitt verrichten helffen, alldieweil ihnen
brotts gnug umb Gottes willen gegeben und zuge-
tragen wirdt. Wir wöllen geschweigen, das oftmals
bei demßelbigen viel leichtfertigkeitt, buberey und
unzuchtt begangen wirdt.
Wie nun almussen geben ein Gott wohlgefelligs
werck ist, welchs alhier zeittlich und dortt ewiglich
soll vergolten werden, also ist hergegen nicht ein ge-
ringe sunde und mehr als ein diebstal, die almussen
wieder Gottes gebott zum musigang gebrauchen
und frommen haußarmen, welche sich des bettlens
schemen, zu entziehen. Damit dan hierin ein under-
schiedt gehalten und die almussen under die, so
recht arm seindt, die uns Christus befohlen hat34,
außgespendet werden, so sollen unßere superinten-
dens, pfarherr, eltisten und beampten an einem je-
den ortt vleißige und unpartheyhische erkundigung
vornehmen und die rechte, notturfftige armen, so
schwacheitt halber oder sonsten mit ihrem unge-
sparten vleiß und arbeitt nicht | naher kommen kon-
nen oder mit vielen kindern gesegnet seindt, welche
ihnen alle zuernehren unmöglich, ufzeichnen, und
dießelbige nach eines jeglichen gelegenheitt mit dem
hoff- und castenalmußen versehen lassen, den an-
dern fucis aber und faulen bettlern keineswegs vor
sich oder ihre kinder zubetteln und den leuten be-
schwerlich zusein gestatten, sondern sie mit gebu-
rendem ernst zur arbeitt treiben und anweißen,

34 Vgl. Mt 19,21.

auch jedesmahl, wan sie jemand umb gepreuchliche
belohnung zu arbeitten versagen, in betzencam-
mer35 legen oder sonsten straffen. Und dieweill ein
jede gemeinde ire armen wol und ohn sonderbare
beschwerung underhalten köndte, wan allein darin
gute ordnung und iztgedachter underschiedt ange-
steltt wurde, so wollen wir die genedige anordnung
thun, das alle jar bei den castenrechnungen oban-
geregte erkundigung in jeder stadt, flecken und
dörffern vorgenommen und ein ordnung, wie das
volgend jahr uber den also gefundenen rechten und
frommen haußarmen aus dem casten und von den
nachbarn soll gesteurt werden, da man auch gleich
hieruber nach gelegenheitt an einem | oder dem an-
dern ortt etzlichen kindern zubetlen gestatten mu-
ste, sollen doch unßere pfarhern und beampten dar-
auff sehen, das dießelbige kinder, wan sie so groß
erwachsen, das sie ir brodt verdienen können, so
bald zum handwergk oder dem ackerbaw gethan
und vom mußigang und bettlen abgezogen, deßglei-
chen, wan von jemandts die almußen mißbraucht
und schweine damit gemestet wurden, demselbigen
die almußen abgestrickt und andern gegeben wer-
den, welchs alles wir von den armen wollen verstan-
den haben, so noch arbeitten können oder die mit
solcher schwacheitt beladen, das man beßerung zu
hoffen, dan sonsten, da die armen altt, unvermug-
lich oder mit solcher kranckheitt behafftet, dero
nicht zuhelffen, item arme, verlaßene waisen, die
irer jugendt oder gebrechlicheitt halber noch nichts
verdienen konten, so soll dero gelegenheit an uns
von unßern pfarhern, eltisten und beampten ge-
langdt werden, wollen wir dießelbige in unßere hohe
hospitälen zu geburlicher underhaltung verordnen
lassen. |
Soviell dan die frembde schuler betriefft, ob uns woll
nicht zuwiedder ist, das dießelbige ufgenommen
oder, da sie vortziehen wollen, mit einer almußen
aus dem casten bedacht werden, jedoch dieweill die
meinsten darunder große, ungeschickte eßell seind,
die sich uf das umbherlauffen und bettlen gewehnen,
inmittelß aber gar nicht oder sehr wenig studiren

35 Gefängnis, FWb 3, Sp. 2175.

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