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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0185
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Einleitung

Bekenntnis also zunächst nicht für jugendliche Konfirmanden bestimmt war, floss mit dem Gebet doch ein
Teil daraus in die Konfirmationsordnung der 1556 formulierten Waldecker Kirchenordnung ein.50
Seit den 1530er Jahren war in der Grafschaft Waldeck Luthers Kleiner Katechismus in Gebrauch, wie
aus den „Wildunger Artikeln“ der Waldecker Superintendenten (Nr. 8) hervorgeht.51 Daneben kursierte
zumindest an Hefentregers Wirkungsorten Waldeck und Niederwildungen ein von ihm selbst verfasster
Lehrtext, in dem er Luthers Vorlage bearbeitet hatte. Von diesem Katechismus ist jedoch heute nur noch
ein Fragment erhalten.52 Außer dem Katechismus entwarf Johannes Hefentreger für Niederwildungen 1533
eine Katechismusordnung (Nr. 5h), in der er die Vermittlung der Lehrinhalte darlegte. Hier beschrieb er
detailliert, an welchen Tagen des Jahres Kinder und Erwachsene zum Katechismusunterricht kommen
sollten und wie die Unterweisung im einzelnen vonstatten zu gehen hatte.
Philipp Melanchthon trug sich 1544/45 mit dem Gedanken, Hefentregers agendarische Texte und ins-
besondere seinen Katechismus drucken zu lassen, was er jedoch nicht ins Werk setzte.53
6. Kastenordnung für Niederwildungen [1532] (Text S. 193)
Anfang Februar 1532 berief Philipp IV. Johannes Hefentreger, der seit 1526 Pfarrer in Waldeck war, auf die
Pfarrstelle in Niederwildungen.54 Zu Hefentregers ersten reformatorischen Schritten an seinem neuen Wir-
kungsort gehörte die Organisation eines gemeinen Kastens zur Verwaltung des kirchlichen Vermögens. Auf
seine Anregung geht auch die Kastenordnung zurück, die Philipp III. und Philipp IV. gemeinsam mit dem
Rat der Stadt Niederwildungen vermutlich 1532 erließen.55 Die Ordnung regelte Einkünfte und Ausgaben
des Kirchenkastens. Die Einnahmen speisten sich aus den Erträgen der Pfarr- und Altarpfründen, aus
Almosen und Stiftungen. Von diesem Kapital sollten das Schulwesen gefördert, die Besoldung der Pfarrer
sowie der Unterhalt der Pfarrgebäude und die Versorgung der Armen zentral organisiert werden. Als
Kastenherren wurden der Niederwildunger Pfarrer, drei Bürger sowie ein Schreiber bestellt, die den Kasten
selbständig verwalteten.56
Die Niederwildunger Kastenordnung geht - wie bereits ihr Titel bekanntgibt - auf die hessische Kasten-
ordnung von 1530 zurück.57 Neben der fast wörtlichen Übernahme einzelner Abschnitte erweiterte das
Niederwildunger Regelwerk deren Inhalt um zusätzliche Punkte, etwa die ausführliche Schilderung, wie die
Schüler aus dem Kasten unterstützt werden sollten. Auch der Unterhalt der Armen und Bettler sowie die
Praxis der Kastenverwaltung sind wesentlich ausführlicher dargestellt als in der hessischen Vorlage.58

50 Siehe unten, S. 287: Der Almechtige Got und vatter unsers
herrn Jesu Christi, der euch durch seine gnad vermittelst
dem sacrament der heyligen Tauff zuo seinem Reich beruoffen
... Das ir wie fruchtbare reben an dem lebendigen weinstock
Jesu Christo erfunden und auß der gemeynschafft seiner
außerwelten Schaeflein nymmermehr verstossen werdet,
Amen. In Hefentregers Agende findet sich dieses Gebet
auf fol. 4; vgl. Hareide, Konfirmation, S. 173.
51 Siehe unten, S. 200.
52 Abdrucke bei Reu, Quellen III, 2/3, S. 1696-1702,
Curtze, Katechismus, 307-316 und Knoke, Katechis-
mus, S. 216-221. Vgl. die Untersuchung hierzu bei
Knoke, Katechismus, S. 221-228; Schneider, Refor-
mator, S. 54f.; ders., Johann Hefentreger, S. 120; Reu,
Quellen III, 1/2, S. 1079-1082 und Schultze, Nach-
wort, S. 587-589. In Hefentregers Testament heißt es:
Den Vierden Artickel, meine nachgelassene Schrifften und
Büchlein belangendt, als nemlich meinen Catechismus,
Cantiones, Annotationes und was ich uff meine handt und
in meinem Namen vorzeichnet habe, begere ich, also gehal-

ten zu werden, das mein Hausfraw dasselbig alles bei sich
verwerlich behalte, insonderheit meinen Catechismum und
was sie in dem Bücherledlin findet, damit zur not und auff
beger anzuzeigen, was und wie ich von Gottes Wort geleret
habe, zitiert nach Schultze, Testament, S. 664f.
53 MBW 4, Nr. 3742, 3751, 3752, 3888; vgl. Curtze,
Katechismus, S. 306.
54 Hefentreger blieb hier bis zu seinem Tod 1542, Schnei-
der, Reformator, S. 47; ders., Johann Hefentreger,
S. 117f.
55 Die Ordnung ist nicht datiert, es liegt jedoch nahe, dass
sie unmittelbar nach Hefentregers Amtsübernahme in
Wildungen erlassen wurde.
56 Wassmann, Waldeck, S. 33; Schultze, Reformations-
geschichte, S. 95-98, 396f.; Schneider, Johann Hefen-
treger, S. 49-51.
57 Abdruck in Sehling, EKO VIII, S. 68-70.
58 Schultze, Reformationsgeschichte, S. 97-100, 396f.;
Köhler, Einfluß, S. 87f.

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