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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0186
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Die Grafschaft Waldeck

3. Die Konsolidierung der Reformation 1539-1600
Die Waldecker Grafen hatten mit der Landordnung und Kirchenordnung von 1525 (Nr. 1 und 2) früh ihren
Willen bekundet, die Reformation in ihrem Territorium einzuführen. Hierbei agierten sie im Gefolge der
Landgrafschaft Hessen als des mächtigen evangelischen Nachbarn und Lehnsherrn ihrer Grafschaft. In der
Ausformung ihrer Ordnungen handelten die Waldecker Grafen jedoch unabhängig von Hessen. Nachdem sie
1531 dem Schmalkaldischen Bund beigetreten waren59 und bis Ende der 1530er Jahre in beiden Landestei-
len die Grundlagen des neuen Glaubens gelegt hatten, suchten sie die Reformation ab 1539 zu konsolidieren.
In diesem Jahr starb Philipp III. und das Eisenberger Land wurde unter seine beiden Söhnen Wolrad60 (reg.
1539-1578) und Johann61 (reg. 1539-1567) aufgeteilt. Wolrad II. trat die Regierung in Eisenberg an,
Johann I. begründete die neuere Landauer Linie. In seinem Landesteil regierte er gemeinsam mit seiner
Mutter Anna62 (1495-1567). Wie Philipp III. betrieben auch Anna und Johann I. von Waldeck-Landau ihre
evangelische Religionspolitik gemeinsam mit Wolrad II. von Waldeck-Eisenberg und Philipp IV. von Wal-
deck-Wildungen.
7. Mandat zur Amts- und Lebensführung der Geistlichen 3. Januar 1539 (Text S. 199)
Unter Philipp III. war die Reformation im Eisenberger Landesteil der Grafschaft zwar in den 1520er Jahren
angestoßen, aber nicht in allen Ortschaften eingeführt worden. Dieser Aufgabe nahm sich Philipps Sohn
Wolrad II. in den 1540er Jahren entschlossen an. Er war bereits seit 1536 Mitregent seines Vaters, nach
dessen Tod am 20. Juni 1539 fiel ihm die alleinige Regierung zu. Anfang 1539, noch zu Lebzeiten seines
Vaters, trat Wolrad II. mit reformatorischen Mandaten an die Geistlichen des Eisenberger Landes heran. In
dem Mandat vom 3. Januar 1539 trug er den Pfarrern des Amtes Waldeck auf, das Evangelium zu predigen,
sich in ihrer Amts- und Lebensführung danach zu richten und damit Vorbild für ihre Gemeinden zu sein.63

8. Die „Wildunger Artikel“ der Superintendenten 25. August 1539 (Text S. 200)
In der Landgrafschaft Hessen war um 1527 das Amt der Visitatoren eingerichtet worden.64 Vermutlich
durch das hessische Vorbild angeregt, hatte Philipp IV. in der Niederwildunger Kastenordnung von 1532
(Nr. 6) angekündigt, Visitatoren inn alle stede, dorffer unnd flecken zu schicken. Diese Absicht wurde wenig
später ins Werk gesetzt und Johannes Hefentreger amtierte seit 1533 als Visitator und Superintendent des
Wildunger Landesteils, wobei ihm jedoch in Person des Waldecker Kanzlers Johann Hake ein gräflicher
Beamter an die Seite gestellt wurde.65
Im August 1539 trafen die Superintendenten der drei Landesteile Eisenberg, Wildungen und Landau in
Wildungen zusammen, um gemeinsame Leitlinien für das Kirchenwesen der gesamten Grafschaft aufzu-
stellen. Johannes Hefentreger formulierte schließlich 18 knappe Leitsätze, die so genannten Wildunger
Artikel.66

59 Wassmann, Waldeck, S. 32.
60 Zu Wolrad II. siehe Körner, Wolrad II., S. 105-126;
Schultze, Reformationsgeschichte, S. 111-159; Varn-
hagen, Grundlage, S. 186-232.
61 Zu Johann I. siehe Varnhagen, Grundlage, S. 165-174.
62 Zu Anna siehe Langenbeck, Anna, S. 541-560; Varn-
hagen, Grundlage, S. 165-167. Vgl. unten, S. 202
Anm. 1.
63 Schultze, Reformationsgeschichte, S. 119.
64 Vgl. Sehling, EKO VIII, S. 18; Schneider, Refor-
mator, S. 55f. nennt irrtümlich erst 1531 als Jahr der
Einführung.

65 In einem Brief vom 10. Juli 1534 (StaatsA Marburg,
Best. 115.7 Generalia Nr. 105) schrieb Hefentreger an
Graf Philipp IV., dass er auf Vorschlag der Pfarrer im
Jahr zuvor zum Visitator und Superintendent ernannt
worden war, vgl. Schneider, Reformator, S. 55, 57. Zu
Johann Hake siehe Curtze, Canzler, S. 75.
66 Schneider, Reformator, S. 62f.; ders., Johann Hefen-
treger, S. 122; Schultze, Reformationsgeschichte,
S. 121f.; vgl. Wassmann, Waldeck, S. 34; Steinmetz,
Geschichte, S. 139; Pflücker, Kirchenvisitationen,
S. 135f.

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