Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0201
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2. Kirchenordnung [1525]

so wöllen wir, das burgermeyster unnd ratt inn unn-
sern steddenn unndt fleckenn, dar mann zuvorab
schule gehaltenn hait, darann sein, das dieselbigenn
abgestelte schule wiederumb uffgerichtet unndt mit
frommen, gelartenn zuchtmeisternn bestelt wer-
denn, damit die jugenndt zu Gottes lob unndt ehre
unndt christlicher erbarckeit erzogenn werde, daruff
dann auch wir verdacht8 wöllenn seinn, das diesel-
bigenn kinndermeister mitt gepurlicher besoldunge
versehenn werdenn. |
Erstlich das grausam, unnaturlich laster mitt ube-
rigenn9 drunckenn, der schwelgerei tag unndt nacht
unndt der bezwangck der grossenn druncken, einer
dem anndernn zu thonn, schimpflich unndt ernnst-
lich uffgelegt wurdt, wellichs wir inn keinem wege
dermasse furt denn unnsernn unnsers wissenns bei
hoher straffe nicht leidenn mögenn oder wöllenn;
aber einn itzlicher soll naturlicher unndt leiblicher
noidt drunncke durch unnser gebott ihme vorbehal-
tenn seinn. Welcher aber das uß muttwillennc uber-
tritt oder verachtenn werde, er sei mann oder frawe,
die sollenn vonn unnß unngestrafft nicht pleiben.
Zum anndernn. Dieweill Gott nach vermoge altes
unndt newes testamennts hochlich bei verdamnus
lyb unndt seele verbutt die ehebrecherei, unndt
durch die heiligenn schrifft die hörerei10 unnd unn-
ehelich wesenn verbottenn werdt11, das leider inn
unnser lanndtschafft einenn grossenn innbruch ge-
thann, das unnß k[em]d doch wißlich oder zuge-
stanndenn will seinn, wollenn derhalbenn hirmit
ernnstlich einn uffhaylt gebättenn12 habenn, vonn

c Verschrieben in A und B: muttwillenn das.
d Text zerstört, ergänzt nach B.
e Text zerstört, ergänzt nach B.
f B: fluchenn und.
g-g Deutlich lesbar, Sinn aber unklar.

8 Bedacht.
9 Übermäßigen, Grimm, DWb 23, Sp. 699.
10 Hurerei.
11 Lev 20,10.
12 Einhalt geboten, FWb 2, Sp. 451.
13 Gebührlich.
14 Gemeint ist: heimliche Deflorierung.

solchem sunndtlichenn lebenn abzuhaltenn unnd
einn itzlich mann oder frawe inn ehelichem stande
ehrlich unndt geberlich13 haltenn. Dergleichen wol-
lenn wir auch alle unnzucht unndt hanndlunge zwi-
schenn knechtenn unndt meidenn verboidenn ha-
benn.
Wo aber verkrauchunge der jungfrawschafft ge-
schee14, sollenn sie zusamenn mit verwilligunge irer
elthernn zu der ehe greiffenn. Wann aber das nicht
geschee, | soll sollichs gehaltenn werdenn inn der
straffe, wie unnß[er] gerichtsordenunge15, hiebei vor
ubbergeben, mittbrenngt. Auch soll niemanndt sol-
lich unnduegenndt hußen, herbergenn oder darzu
helffenn bei unnser unngneidigenn straffe. Wann das
aber verachtet werde inn denn eebruche, dieweill eß
die ordnunge Gottes ißt, wollenn wir dennselbigenn
zu einer straffe die schanntsteine16 inn stettenn
unndt dorffernn uffhennckenn lassenn, unndt wann
das vonn erst17 [kein]e besserunnge brinngenn wölt,
wollenn wir denn oder die zu dem drittenn mahl
mitt denn schanndtsteinen mitt verlopenns18 auß
unnser lanndschafft weisenn lassenn.
Zum drittenn mahle, so auch Christus verbottenn,
seinenn benedeieten nahmenn nicht unnutzlich inn
jemanndts mundt genommen soll werdenn19, dar-
wieder dann viele mennschenn, junnck unndt alt,
mit fluchennl, schwerenn bei dem leidenn, bei dem
creutze, bei dem sterbenn, bei der martel20 Gottes
unndt auch viell heiligen nahmenn zu unnodige ge-
bruchenn girst uhsg genannt unndt gesprochenn wer-
denn unnd inn solche gewonheit kommen ist, das
Gott der almechtige verhenngt, das sollich er-

15 Hier ist die Waldecker Landordnung von 1525 gemeint,
siehe oben, S. 178 im Abschnitt „Ehebruch und annder
mißhandelung zustraffen, Art. 7“.
16 Steine, die als Schandstrafe über eine gewisse Distanz
oder eine Zeit lang getragen werden mussten; häufig
wurde hierzu eine Schandkette mit ein oder zwei Schand-
steinen um den Hals des Delinquenten gebunden,
DRW 12, Sp. 212.
17 Zunächst, Grimm, DWb 3, Sp. 993.
18 Entfernung, Grimm, DWb 24, Sp. 2473.
19 Vgl. Mt 5,33-37; Ex 20,7; Lev 19,12.
20 Marter, Leiden.

181
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften