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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0371
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8. Kirchen- und Polizeiordnung für Münzenberg [1575-1580]

langt unnd daruber unsers fernern bescheidts erwar-
tedt werden.
Wir gebieten auch hiermit allenn unnd jeden un-
sernn burgernn unnd inwonernn zu Mintzenbergk
insgemein, das sie sich der wiederteuffer, irer weiber
unnd kinder, so deroselbenn sectenn anhengig, mit
hausenn, herbergenn, eßenn, trincken unnd ann-
derm vorschub29 gar nicht annhemenn in aller ma-
ßenn, wie sie sich unserer christlichenn gemein auch
eußernn unnd entschlagen. Wer aber solichs wißent-
lich ubertrettenn unnd verechttlich haltten wurde,
der sol gleicher straff wie sie, die wiederteuffer
selbst, zu gewartenn habenn. Die sich aber vonn
irem irthumb bekherenn unnd wiederumb zu unse-
rer christlichen gemein mit anhörung gotliches
worts unnd gebrauch der hochwurdigen sacramen-
ten tretten, denen soll ir voriger fehl verzihen sein
unnd sie zu gnadenn wieder auf- unnd angenommen
werden.
[Sonntagstänze und Jahrmärkte]
Der sontagstentz, bevorab deren, so under der pre-
dige unnd catechißmo gescheen, deßgleichenn auch
dero kirmeßenn30 halber, darauf viel ubermeßigs
| 10r | freßens, sauffens, spielens, schlegerei unnd son-
stenn viel buberei geschichtt, setzenn, ordnenn unnd
wollen wir, das dieselbenn hinfhuro insgemein, unnd
sonderlich die kirmeßen, so außerhalb gewonlicher
jharmarckte gehalttenn werdenn, gentzlich abge-
stellet unnd daruber vonn unsernn pfarhernn so
wohl alß unsern beambtenn gehalttenn werdenn
solle.
Da auch hieruber jemandts befunden wurde, so
da außerhalb der jarmarck kirmes hielte, der sol

29 Hilfe, Unterstützung, Grimm, DWb 26, Sp. 1518.
30 Kirchweihfeste.
31 Übermut.
32 1. Mai.
33 24. Juni.
34 Ausschweifende Feierlichkeiten am Abend vor dem
Hochzeitstag, vgl. ebenso in der Waldecker Kirchen- und
Zuchtordnung von 1555, oben, S. 227.

darumb durch unsere beampten ernstlich gestrafft
werdenn; nemblich der pfarher sol seins ampts ent-
setzt unnd die stadt insgemein umb hundert gulden,
so oft sie es ubertrit, gestraft werden. Wehrenn aber
ettwann sondere personen, die es ubertretten, dero
jede sol, so oft die ubertrit, uns vier guldenn zu buß
geben unnd unsere beampten die un[ab]leßlich ein-
bringenn.
Also auch sollenn die sontagstentze, sonderlich
under der predigte unnd kinderlehr, darzu auch alle
andere leichtfertige uppigkeitenn31, so nach heydni-
scher weyse zur faßnachtt, walpurgis32, pfingstenn,
johannistag33 unnd andern zeitenn mehr durchs jhar
vom gemeinem mann geubtt unnd vorgenommen
werden, gentzlichenn verbottenn seinn unnd die
uberfharer jedermahlß nach gestalt der geubten
| 10v | leichtfertigkeit durch unsere beamptenn ernst-
lichenn gestrafft unnd uns die straf einbrachtt wer-
den.
Wann aber hochzeitenn seindt, mag man zimb-
lich tantzenn, doch das solichs nicht under der pre-
dig oder zu der zeit, wan mann den cathechißmum
heltt, darzu ehrlicher weise, geschee unnd dan das
nachttantzen34, deßgleichenn das abstoßen am tan-
tzen, auch das herumbwerffenn, auch sonst alle on-
zuchtige geberte unnd wortt, gentzlichen underla-
ßen unnd vermitten werdenn35, darzu dan unsere
beamptenn etzliche redliche personenn ordnen sol-
lenn, die jedeßmahlß bei den tantzen seinn unnd
bleiben unnd daruf gute achtung gebenn, das dieser
unser ordnung gelept, zu rechter zeit angefangen
unnd ufgehort unnd die uberfahrer den beampten
angezeigt unnd von denselbenn in geburliche straf
gezogen werdenn.

35 In der hessischen Kirchenzuchtordnung von 1543 findet
sich als Begründung für ausschweifendes Tanzen: Ferner
befinden wir, daß aus dem unnützen und unzüchtigen tan-
zen vil leichtfertigkeit, totschlege und anders ervolgt,
Sehling, EKO VIII, S. 151.

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