Evangelische Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts

9. Kirchenordnung für Solms-Laubach [1576-1580]

ein stilles und fridliches leben |8v | mögen fhüren in
aller gottseligkeit und erbarkheit.
Zum dritten bittet auch vor das haußregiment
und ehelichen standt, das der allmechtig gütig Gott
verleihen wölle allen eheleuten seinen heiligen geist,
das sie christlich, fridlich und einträchtig beieinan-
der leben, ire kinder und gesinde zu gottesforcht,
auch ehre und tugent, mögen uferziehen. Dieweil
auch hin und wider in allen landen viel arme chri-
sten umb des worts Gottes und der gerechtigkeit
willen verfolgt43, verjagt, gefengklich ingezogen,
elendiglich gemartert und erwürget werden, seint
wir schuldig, Gott vor sie zubitten, das er durch sei-
nen heiligen geist ire hertzen trösten und stercken,
im bekantnus sie fest erhalten und seliglichen inen
helffen wölle an leib und seele.
Darnach lasset uns auch bitten fur unsere arme
brüder und schwestern und in der gantzen weldt, da
entweder schwere kranckheiten oder grosse anfech-
tungen seint, das sie Gott mit gnaden erledigen44
wölle. Bittet auch für alle schwangere weiber und
seugerin45, Gott wolle inen fröliche frucht und ge-
deien geben, das auch unser lieber herr Gott alle un-
sere feinde wolle bekheren und inen, was sie gegen
uns gesündiget, gnediglich vergeben. Ein iglicher
schliesse seine eigene noth, welche ime am besten
bewust, mit in und spreche mit mir also: Unser vat-
ter, der du bist in dem hiemel, geheiliget werde dein
nhame, zukom dein reich, dein wille geschehe wie in
dem hiemel also auch auf |9r | erden. Unser taglich
brodt gib uns heut und vergib uns unsere schuldt,
als wir vergeben unsern schuldigern. Und fhüre uns
nicht in versuchung, sondern erlöse uns von dem
bösen, dan dein ist das reich und die kraft und die
herligkeit von ewigkeit zu ewigkeit, amen46.
Wofern dan keine communicanten vorhanden, singe
der schulmeister einen kurtzen psalmen, daruf der
pfarher ein gebett und beschliesse mit dem segen,

43 Vgl. Mt 5,10.
44 Erlösen.
45 Stillende.
46 Mt 6,9-13.
47 Num 6,24-26.

welchen er umbgewandt zum volck also sprechen
oder singen soll:
Der her segene dich und behüte dich. Der her er-
leuchte sein angesicht uber dir und sey dir gnedig.
Der herr erheb sein angesicht uf dich und gebe dir
friden47.
Singet daruf der chor oder spreche der pfarher (wo-
fer er den segen lisset): Amen.
Da aber communicanten vorhanden, sollen diesel-
ben under dem gesang: Isaia, dem propheten, das
geschahe etc.48 sich zum chor finden und alda nider-
knien, und der pfarher volgende vermanung umb-
gewandt den knienden communicanten verlesen.
Vermanung
Ir allerliebsten in Christo Jhesu. Dieweil wir itzt das
gnadenreiche abentmahl unsers liebsten heilandts
begehen und halten wollen, darin er uns seinen war-
hafften leib zu einer speisen und sein eigen blut | 9v |
zu einem dranck, den glauben domit zustercken, ge-
geben hat, sollen wir pillich mit grossem fleiß und
inbrönstiger andacht uns selbst, wie sanct Pau-
lus49 vermanet, prüfen, dan diß heilige sacrament ist
zu einem besondern trost und stercke gegeben den
armen, betrübten gewissen, die ire sünde im hertzen
empfinden und erkennen, Gottes zorn und den todt
forchten und nach der gerechtigkeit hungerig und
durstig seint50. So wir aber uns selber prüfen und ein
iglicher in sein gewissen gehet, werden wir gewißlich
nichts anders finden dan allerley grewliche sünde
und den todt, welchen wir mit der sünde verschuldet
haben, dan der soldt der sünden ist der todt, wie
Paulus51 sagt, und können uns doch selbst in keinem
wege daraus helffen. Darumb hat sich unser lieber
herr Jhesus Christus uber uns erbarmet und ist umb

48 Luther, Jesaja, dem Propheten, das geschah, AWA 4,
Nr. 26.
49 1Kor 11,28.
50 Mt 5,6.
51 Röm 6,23.

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