Einleitung
2. Die Frühreformation 1520-1532
Ab 1520 gewann die reformatorische Bewegung auch in Frankfurt Anhänger. Luthers Lehre wurde vor
allem im Kreis der humanistisch gebildeten Patrizier verbreitet. Auf Initiative von Claus Stalburg dem
Reichen,20 Hamman von Holzhausen,21 Arnold und Johann von Glauburg sowie Philipp Fürstenberger
wurde 1520 eine Lateinschule als Gegengewicht zu den drei Stiftsschulen eingerichtet. Diese städtische
Bildungseinrichtung stand am Beginn der reformatorischen Bewegung in Frankfurt, in der der Luther-
anhänger Wilhelm Nesen (1493-1524) als Rektor tätig war.22 Durch Nesens Vermittlung hielt der auswär-
tige Geistliche Hartmann Ibach im März 1522 die erste evangelische Predigt in der Kirche des Kathari-
nenklosters. Auf Druck des Mainzer Erzbischofs, Kardinal Albrechts von Brandenburg, musste Ibach die
Stadt jedoch bald wieder verlassen.23 Auch Dietrich Sartorius, der 1523 in der Katharinenkirche predigte,
musste seine Tätigkeit Ende 1524 einstellen.24
Infolge des Bauernkrieges, dessen Zentren zwar nicht in unmittelbarer Nähe von Frankfurt lagen,25 kam
es 1525 jedoch auch hier zu einem innerstädtischen Aufruhr der Zünfte.26 Die Aufständischen gingen am
Ostermontag (17. April) gewaltsam gegen den altgläubigen Klerus und das patrizische Stadtregiment vor.
Ihre Gravamina, die sich gegen die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse sowie gegen die vom Rat
blockierte evangelische Predigt richteten, hielt ein Bürgerausschuss in 46 Artikeln fest.27 Unter dem Druck
der bewaffneten Volksmenge mussten Klerus und Stadtregiment die Artikel annehmen.
Von den 46 Artikeln betreffen die Punkte 1 bis 5, 13, 14, 41 sowie 43 bis 45 kirchlich-religiöse Belange.
Einer der wichtigsten Punkte war die Forderung des Pfarrerwahlrechts durch Rat und Gemeinde. Die
Geistlichen sollten keinen Sonderstatus unter der Bevölkerung mehr besitzen, sondern zu den bürgerlichen
Abgabe- und Dienstpflichten herangezogen werden. Den Mönchen wurde untersagt zu predigen, Beichte zu
hören und zu betteln. Sie sollten ihre Klöster verlassen und keine Novizen mehr aufnehmen. Weitere Punkte
betrafen den Armenkasten. Die Erträge vakanter Pfründen wurden in den Kasten überführt; Jahrzeiten,
Bruderschaften und Begängnisse sollten abgeschafft und deren Stiftungskapital ebenfalls in den Armen-
kasten fließen.28 Die übrigen Artikel betrafen politische und wirtschaftliche Fragen, etwa des städtischen
Gerichtswesens, der Besetzung des Rats, des Wuchers jüdischer Geldleiher, der Steuern und Abgaben, der
Allmende und des Fürkaufs.
20 Johann, Claus Stalburg.
21 Matthäus, Hamman; ders., Prozesse.
22 Schindling/Schmidt, Frankfurt, S. 44; Schind-
ling, Humanismus, S. 213f.; Schnettger, Reforma-
tion, S. 30; Dechent, Kirchengeschichte 1, S. 73-75;
Matthäus, Hamman, S. 178-203; Jahns, Bund, S. 33;
Johann, Kontrolle, S. 88; Kübel, Reformation, S. 17-
20; Bauer, Bekenntnisstand (1922), S. 206f.; Steitz,
Geschichte, S. 6-11; Dienst, Einführung, S. 44-49. Zu
Wilhelm Nesen siehe Dechent, Kirchengeschichte 1,
S. 69-73; Steitz, Nesen, S. 36-160. Zur Frankfurter
Schulgeschichte zwischen 1520 und 1524 siehe Classen,
Micyllus, S. 36-52.
23 Kübel, Reformation, S. 22f.; Bauer, Bekenntnisstand
(1922), S. 210f.; Beumer, Königstein, S. 80; Johann,
Kontrolle, S. 88. Zu Hartmann Ibach siehe Matthäus,
Hamman, S. 206-224; Schwarzlose, Ibach; Win-
tzer, Ibach; Dechent, Kirchengeschichte 1, S. 84-88.
24 Zu Dietrich Sartorius siehe Falk, Biographie, S. 326f.
25 Zum Bauernkrieg und Frankfurt siehe Matthäus,
Hamman, S. 281-339; Telschow, Alte Frankfurter
Kirche, S. 5-8; Kübel, Reformation, S. 35-38; Bauer,
Bekenntnisstand (1922), S. 222-232; Euler, Beiträge
1907, S. 170-210; Wolter, Konzil, S. 150-153;
Struck, Bauernkrieg, S. 16-20.
26 Zum Frankfurter Aufstand von 1525 siehe Panzer,
Sozialer Protest, S. 192-255; Jahns, Frankfurt, S. 165-
171.
27 Zu einem Entwurf der Artikel siehe Jung, Entstehung,
S. 198-208; ders., Chroniken, S. XlXf. Zur Überliefe-
rung verschiedener Druckfassungen siehe Stern, Arti-
kel, S. 632f. Mangon erwähnt die Artikel in seiner Chro-
nik, Mangon, Beschreibung, S. 31; vgl. auch Mat-
thäus, Hamman, S. 317 Anm. 164.
28 Die Forderung nach einem Armenkasten weist Paralle-
len zur Leisniger Kastenordnung von 1523 auf, Seh-
ling, EKO I, S. 598-604. Vgl. Dienst, Einführung,
S. 48.
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2. Die Frühreformation 1520-1532
Ab 1520 gewann die reformatorische Bewegung auch in Frankfurt Anhänger. Luthers Lehre wurde vor
allem im Kreis der humanistisch gebildeten Patrizier verbreitet. Auf Initiative von Claus Stalburg dem
Reichen,20 Hamman von Holzhausen,21 Arnold und Johann von Glauburg sowie Philipp Fürstenberger
wurde 1520 eine Lateinschule als Gegengewicht zu den drei Stiftsschulen eingerichtet. Diese städtische
Bildungseinrichtung stand am Beginn der reformatorischen Bewegung in Frankfurt, in der der Luther-
anhänger Wilhelm Nesen (1493-1524) als Rektor tätig war.22 Durch Nesens Vermittlung hielt der auswär-
tige Geistliche Hartmann Ibach im März 1522 die erste evangelische Predigt in der Kirche des Kathari-
nenklosters. Auf Druck des Mainzer Erzbischofs, Kardinal Albrechts von Brandenburg, musste Ibach die
Stadt jedoch bald wieder verlassen.23 Auch Dietrich Sartorius, der 1523 in der Katharinenkirche predigte,
musste seine Tätigkeit Ende 1524 einstellen.24
Infolge des Bauernkrieges, dessen Zentren zwar nicht in unmittelbarer Nähe von Frankfurt lagen,25 kam
es 1525 jedoch auch hier zu einem innerstädtischen Aufruhr der Zünfte.26 Die Aufständischen gingen am
Ostermontag (17. April) gewaltsam gegen den altgläubigen Klerus und das patrizische Stadtregiment vor.
Ihre Gravamina, die sich gegen die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse sowie gegen die vom Rat
blockierte evangelische Predigt richteten, hielt ein Bürgerausschuss in 46 Artikeln fest.27 Unter dem Druck
der bewaffneten Volksmenge mussten Klerus und Stadtregiment die Artikel annehmen.
Von den 46 Artikeln betreffen die Punkte 1 bis 5, 13, 14, 41 sowie 43 bis 45 kirchlich-religiöse Belange.
Einer der wichtigsten Punkte war die Forderung des Pfarrerwahlrechts durch Rat und Gemeinde. Die
Geistlichen sollten keinen Sonderstatus unter der Bevölkerung mehr besitzen, sondern zu den bürgerlichen
Abgabe- und Dienstpflichten herangezogen werden. Den Mönchen wurde untersagt zu predigen, Beichte zu
hören und zu betteln. Sie sollten ihre Klöster verlassen und keine Novizen mehr aufnehmen. Weitere Punkte
betrafen den Armenkasten. Die Erträge vakanter Pfründen wurden in den Kasten überführt; Jahrzeiten,
Bruderschaften und Begängnisse sollten abgeschafft und deren Stiftungskapital ebenfalls in den Armen-
kasten fließen.28 Die übrigen Artikel betrafen politische und wirtschaftliche Fragen, etwa des städtischen
Gerichtswesens, der Besetzung des Rats, des Wuchers jüdischer Geldleiher, der Steuern und Abgaben, der
Allmende und des Fürkaufs.
20 Johann, Claus Stalburg.
21 Matthäus, Hamman; ders., Prozesse.
22 Schindling/Schmidt, Frankfurt, S. 44; Schind-
ling, Humanismus, S. 213f.; Schnettger, Reforma-
tion, S. 30; Dechent, Kirchengeschichte 1, S. 73-75;
Matthäus, Hamman, S. 178-203; Jahns, Bund, S. 33;
Johann, Kontrolle, S. 88; Kübel, Reformation, S. 17-
20; Bauer, Bekenntnisstand (1922), S. 206f.; Steitz,
Geschichte, S. 6-11; Dienst, Einführung, S. 44-49. Zu
Wilhelm Nesen siehe Dechent, Kirchengeschichte 1,
S. 69-73; Steitz, Nesen, S. 36-160. Zur Frankfurter
Schulgeschichte zwischen 1520 und 1524 siehe Classen,
Micyllus, S. 36-52.
23 Kübel, Reformation, S. 22f.; Bauer, Bekenntnisstand
(1922), S. 210f.; Beumer, Königstein, S. 80; Johann,
Kontrolle, S. 88. Zu Hartmann Ibach siehe Matthäus,
Hamman, S. 206-224; Schwarzlose, Ibach; Win-
tzer, Ibach; Dechent, Kirchengeschichte 1, S. 84-88.
24 Zu Dietrich Sartorius siehe Falk, Biographie, S. 326f.
25 Zum Bauernkrieg und Frankfurt siehe Matthäus,
Hamman, S. 281-339; Telschow, Alte Frankfurter
Kirche, S. 5-8; Kübel, Reformation, S. 35-38; Bauer,
Bekenntnisstand (1922), S. 222-232; Euler, Beiträge
1907, S. 170-210; Wolter, Konzil, S. 150-153;
Struck, Bauernkrieg, S. 16-20.
26 Zum Frankfurter Aufstand von 1525 siehe Panzer,
Sozialer Protest, S. 192-255; Jahns, Frankfurt, S. 165-
171.
27 Zu einem Entwurf der Artikel siehe Jung, Entstehung,
S. 198-208; ders., Chroniken, S. XlXf. Zur Überliefe-
rung verschiedener Druckfassungen siehe Stern, Arti-
kel, S. 632f. Mangon erwähnt die Artikel in seiner Chro-
nik, Mangon, Beschreibung, S. 31; vgl. auch Mat-
thäus, Hamman, S. 317 Anm. 164.
28 Die Forderung nach einem Armenkasten weist Paralle-
len zur Leisniger Kastenordnung von 1523 auf, Seh-
ling, EKO I, S. 598-604. Vgl. Dienst, Einführung,
S. 48.
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