Einleitung
Im Zentrum der Auseinandersetzung stand die Frage nach der Messfeier, über die bereits seit Jahren
diskutiert wurde.53 Am 14. April beriet der Rat, ob die Messen gänzlich abgeschafft oder lediglich suspen-
diert werden sollten. Die Diskussion wurde nicht nur von der drohenden „Selbsthilfe“ der Bevölkerung
bestimmt, sondern auch davon, dass der Mainzer Kurfürst nach zwei Prozessen am Reichskammerge-
richt54 einen weiteren gegen die Reichsstadt androhte, falls sich der Rat und zur Beseitigung des altgläu-
bigen Kultus und damit zur Einführung der Reformation entschlösse. Der Magistrat entschied, die Messe
bis zur Einberufung eines künftigen Konzils auszusetzen.
Zur Absicherung seines Beschlusses führte er am 21. April eine Befragung unter der Stadtgemeinde
durch.55 Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung sprach sich für die Suspendierung der Messe und
damit für die Einführung der Reformation aus. Der Rat folgte diesem Votum und gab am 23. April die
Aussetzung der Messe bekannt.56 Mit dieser Entscheidung konnte er einerseits gegenüber den Reformati-
onsgegnern den provisorischen Charakter seines Handelns betonen und andererseits den Forderungen der
evangelischen Bürgerschaft nachkommen.57
Mit der Entscheidung vom 23. April 1533 wurde die öffentliche Ausübung altgläubiger Zeremonien in
der Reichsstadt für die folgenden 15 Jahre unterbunden. Nur in Bockenheim durfte der Kaplan des Bar-
tholomäusstifts zunächst weiterhin Messen feiern und hierher kamen auch die altgläubigen Frankfurter
Bürger.58
Zu diesem wichtigen Schritt auf dem Weg zur Einführung der Reformation sind zwei für unsere Edition
relevante Dokumente überliefert. Hierbei handelt es sich zum einen um den Ratsbefehl (Nr. 2a), der dem
Stiftsklerus am 23. April verlesen wurde,59 und zum anderen um ein Protestationsinstrument (Nr. 2b).
Bereits kurz nach dem 8. April 1533 war der Ratsschreiber Johann Marsteller nach Speyer beordert worden,
um mit den dortigen Juristen ein Schriftstück auszuarbeiten, mit dem die Einführung der Reformation
offiziell eingeleitet werden sollte. Wie bereits das Ratsmandat (Nr. 2a), so betonte auch dieses, dass der Rat
nicht selbst aktiv geworden sei, sondern unter dem Druck der evangelischen Bevölkerung habe handeln
müssen.60 Im Anschluss an die Verlesung des Ratsbefehls gab der Ältere Bürgermeister Hans Bromm im
Römer in Anwesenheit des Marburger Notars Melchior Clarius die vorbereitete Protestation zu Protokoll
und ließ über den ganzen Akt das instrumentum protestationis (Nr. 2b) anfertigen.61 Auch dieses Schriftstück
belegt, dass sich der Rat gegenüber dem Kaiser und anderen Reformationsgegnern aus Sorge vor Sanktio-
nen hinter dem Argument zurückzog, dass er um des städtischen Friedens willen die Entscheidung gegen die
Messe habe treffen müssen.62
Der von Kurmainzer Seite angedrohte Reichskammergerichtsprozess für den Fall, dass sich die Reichs-
stadt der neuen Lehre anschlösse, wurde im Mai 1533 eingeleitet. Zwei Jahre später war der Frankfurter
Rat durch den Prozessverlauf so weit in die Enge getrieben worden, dass er trotz drohender Gefahr erneuter
53 IfSG Frankfurt, Acta Ecclesiastica Abschriftenband I/1,
fol. 135-144. Vgl. Ritter, Denckmahl, S. 168f.
54 Hierzu ausführlich Jahns, Bund, S. 121-140.
55 Derartige Abstimmungen zur Frage der Reformations-
einführung wurden auch in den Reichsstädten Ulm, Ess-
lingen und Biberach durchgeführt, Sehling, EKO
XVII/2, S. 66, 314, 433.
56 Johann, Kontrolle, S. 94; Matthäus, Hamman, S. 398-
402; Jahns, Bund, S. 240-242; Kübel, Reformation,
S. 55-58; Schnettger, Reformation, S. 34; Dechent,
Geschichte der Stadt, S. 17f.; Dienst, Einführung,
S. 49f. Eine detaillierte Darstellung des Ringens um Ein-
führung der Reformation Anfang 1533 in Frankfurt lie-
fert Jahns, Bund, S. 232-246. Vgl. die Berichte im Tage-
buch des Wolfgang Königstein bei Jung, Chroniken,
S. 168f. und Beumer, Königstein, S. 89f.
57 Jahns, Bund, S. 235f., 245.
58 Dienst, Gottesdienst, S. 133; Jahns, Bund, S. 177,
243f.
59 Das Ratsmandat wurde auch den Konventualen der
Männerklöster und den Deutschordensherren bekannt
gegeben, Jahns, Bund, S. 243.
60 Ebd., S. 234, 242.
61 Das Original ist verloren. Der Abdruck folgt Kübel,
Reformation, S. 63-66.
62 Jahns, Bund, S. 242, 244f.; Schnettger, Reforma-
tion, S. 35; Dienst, Rat, S. 106-112; ders., Stadtge-
meinde, S. 99; ders., Einführung, S. 51f.
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Im Zentrum der Auseinandersetzung stand die Frage nach der Messfeier, über die bereits seit Jahren
diskutiert wurde.53 Am 14. April beriet der Rat, ob die Messen gänzlich abgeschafft oder lediglich suspen-
diert werden sollten. Die Diskussion wurde nicht nur von der drohenden „Selbsthilfe“ der Bevölkerung
bestimmt, sondern auch davon, dass der Mainzer Kurfürst nach zwei Prozessen am Reichskammerge-
richt54 einen weiteren gegen die Reichsstadt androhte, falls sich der Rat und zur Beseitigung des altgläu-
bigen Kultus und damit zur Einführung der Reformation entschlösse. Der Magistrat entschied, die Messe
bis zur Einberufung eines künftigen Konzils auszusetzen.
Zur Absicherung seines Beschlusses führte er am 21. April eine Befragung unter der Stadtgemeinde
durch.55 Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung sprach sich für die Suspendierung der Messe und
damit für die Einführung der Reformation aus. Der Rat folgte diesem Votum und gab am 23. April die
Aussetzung der Messe bekannt.56 Mit dieser Entscheidung konnte er einerseits gegenüber den Reformati-
onsgegnern den provisorischen Charakter seines Handelns betonen und andererseits den Forderungen der
evangelischen Bürgerschaft nachkommen.57
Mit der Entscheidung vom 23. April 1533 wurde die öffentliche Ausübung altgläubiger Zeremonien in
der Reichsstadt für die folgenden 15 Jahre unterbunden. Nur in Bockenheim durfte der Kaplan des Bar-
tholomäusstifts zunächst weiterhin Messen feiern und hierher kamen auch die altgläubigen Frankfurter
Bürger.58
Zu diesem wichtigen Schritt auf dem Weg zur Einführung der Reformation sind zwei für unsere Edition
relevante Dokumente überliefert. Hierbei handelt es sich zum einen um den Ratsbefehl (Nr. 2a), der dem
Stiftsklerus am 23. April verlesen wurde,59 und zum anderen um ein Protestationsinstrument (Nr. 2b).
Bereits kurz nach dem 8. April 1533 war der Ratsschreiber Johann Marsteller nach Speyer beordert worden,
um mit den dortigen Juristen ein Schriftstück auszuarbeiten, mit dem die Einführung der Reformation
offiziell eingeleitet werden sollte. Wie bereits das Ratsmandat (Nr. 2a), so betonte auch dieses, dass der Rat
nicht selbst aktiv geworden sei, sondern unter dem Druck der evangelischen Bevölkerung habe handeln
müssen.60 Im Anschluss an die Verlesung des Ratsbefehls gab der Ältere Bürgermeister Hans Bromm im
Römer in Anwesenheit des Marburger Notars Melchior Clarius die vorbereitete Protestation zu Protokoll
und ließ über den ganzen Akt das instrumentum protestationis (Nr. 2b) anfertigen.61 Auch dieses Schriftstück
belegt, dass sich der Rat gegenüber dem Kaiser und anderen Reformationsgegnern aus Sorge vor Sanktio-
nen hinter dem Argument zurückzog, dass er um des städtischen Friedens willen die Entscheidung gegen die
Messe habe treffen müssen.62
Der von Kurmainzer Seite angedrohte Reichskammergerichtsprozess für den Fall, dass sich die Reichs-
stadt der neuen Lehre anschlösse, wurde im Mai 1533 eingeleitet. Zwei Jahre später war der Frankfurter
Rat durch den Prozessverlauf so weit in die Enge getrieben worden, dass er trotz drohender Gefahr erneuter
53 IfSG Frankfurt, Acta Ecclesiastica Abschriftenband I/1,
fol. 135-144. Vgl. Ritter, Denckmahl, S. 168f.
54 Hierzu ausführlich Jahns, Bund, S. 121-140.
55 Derartige Abstimmungen zur Frage der Reformations-
einführung wurden auch in den Reichsstädten Ulm, Ess-
lingen und Biberach durchgeführt, Sehling, EKO
XVII/2, S. 66, 314, 433.
56 Johann, Kontrolle, S. 94; Matthäus, Hamman, S. 398-
402; Jahns, Bund, S. 240-242; Kübel, Reformation,
S. 55-58; Schnettger, Reformation, S. 34; Dechent,
Geschichte der Stadt, S. 17f.; Dienst, Einführung,
S. 49f. Eine detaillierte Darstellung des Ringens um Ein-
führung der Reformation Anfang 1533 in Frankfurt lie-
fert Jahns, Bund, S. 232-246. Vgl. die Berichte im Tage-
buch des Wolfgang Königstein bei Jung, Chroniken,
S. 168f. und Beumer, Königstein, S. 89f.
57 Jahns, Bund, S. 235f., 245.
58 Dienst, Gottesdienst, S. 133; Jahns, Bund, S. 177,
243f.
59 Das Ratsmandat wurde auch den Konventualen der
Männerklöster und den Deutschordensherren bekannt
gegeben, Jahns, Bund, S. 243.
60 Ebd., S. 234, 242.
61 Das Original ist verloren. Der Abdruck folgt Kübel,
Reformation, S. 63-66.
62 Jahns, Bund, S. 242, 244f.; Schnettger, Reforma-
tion, S. 35; Dienst, Rat, S. 106-112; ders., Stadtge-
meinde, S. 99; ders., Einführung, S. 51f.
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