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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0498
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Die Reichsstadt Frankfurt

Bürgerunruhen kurz davor stand, den alten Glauben zu restituieren.63 In dieser bedrängten Situation zeigte
es sich als Nachteil, dass Frankfurt kein Mitglied des Schmalkaldischen Bundes war. Der Rat suchte daher
den Kontakt zu dem Bündnis, dem er Anfang 1536 beitrat. Da Frankfurt nun unter dem Schutz des
mächtigen Bundes stand, ließ der Mainzer Erzbischof den Prozess gegen die Reichsstadt fallen.64
3. Predigt- und Kirchenordnung [25. Mai 1533] (Text S. 505)
Durch die Suspendierung der Messe (Nr. 2) war eine neue Situation in Frankfurt entstanden: Hatten die
evangelischen Zeremonien bislang neben dem altgläubigen Kultus bestanden, so waren sie nun die einzig
zugelassene Form öffentlicher Religionsausübung.65 Die Wiederbesetzung der Pfarrstelle an St. Bartholo-
mäus durch das Stiftskapitel war bereits im Frühjahr 1526 an einer tumultuarischen Störaktion der evan-
gelischen Bevölkerung gescheitert.66 Das Pfarrmonopol des Stifts war damit unterlaufen worden; der
Frankfurter Rat verfügte seit dieser Zeit über die Besetzung der Pfarstelle an St. Bartholomäus.67
Am 25. Mai 1533 verkündete Dionysius Melander die neue Predigt- und Kirchenordnung, die an das
Regelwerk von 1530 (Nr. 1) anknüpfte. Der damals formulierten Forderung, mehr Predigtgottesdienste
halten zu lassen, kam man 1533 nach. Die Ordnung regelte, welche Geistlichen die einzelnen Gottesdienste
an St. Bartholomäus, in der Kirche des Barfüßerklosters, in der Sachsenhäuser Dreikönigskirche, an St.
Peter in der Neustadt und in der Kapelle des Heiliggeistspitals feiern sollten und bestimmte, das Abend-
mahl nicht mehr jeden Sonntag, sondern nur noch alle drei bis vier Wochen zu reichen. Die Ordnung legte
ferner fest, welche Geistlichen die Kranken in den verschiedenen Teilen der Stadt besuchen und an welchen
Tagen sie Taufen und Eheeinsegnungen vollziehen sollten. Bei der Regelung der Kasualien griff man mög-
licherweise auf die von Martin Bucer verfasste Ulmer Kirchenordnung von 1531 zurück, die diese Punkte
bereits ausgeführt hatte.68 Ferner regelte die Ordnung, wie mit den Konventualen der Klöster zu verfahren
sei, ob die noch in den Kirchen befindlichen Bildwerke entfernt werden sollten, dass Eherichter einzusetzen
und die Stiftsschulen zu allgemeinen städtischen Schulen umzufunktionieren seien.69
Im Gegensatz zu unserer Textvorlage, die aus den Abschriften der Frankfurter Religionsakten stammt,
weist Johann Balthasar Ritters Abdruck die Namen der Prediger sowie Randbemerkungen nach, die darauf
hindeuten, dass der Rat nicht alle Punkte umsetzte. Ritter lag offenbar eine andere Textvorlage vor. Sein
Abdruck wurde im textkritischen Apparat unserer Edition berücksichtigt.
Im Herbst 1536 verhandelte der Rat mit den Predigern erneut über die Verteilung der Predigtgottes-
dienste. Welches Ergebnis die Gepräche im einzelnen erbrachten, lässt sich aufgrund des Quellenmangels
nicht feststellen.70 Am 15. August 1538 bestätigte der Rat die bestehende Predigtordnung.71 Auch hinsicht-
lich des Abendmahls kam es in den folgenden Jahren zu Veränderungen. Am 2. Oktober 1539 ordnete der
Rat an, daß das Abendmahl, welches bisher allein alle 3 Wochen in der Pfarr St. Barthol. geordnet gewesen,

63 Die in der älteren Literatur (Ritter, Denckmahl,
S. 226; Kirchner, Geschichte 2, S. 94; Dechent, Kir-
chengeschichte 1, S. 147; Bothe, Geschichte der Stadt,
S. 314; Bauer, Bekenntnisstand (1922), S. 219; ders.,
Bekenntnisstand (1923), S. 127; Kübel, Reformation,
S. 60; Seebass, Das reformatorische Werk, S. 161
Anm. 208) anzutreffende Annahme, dass der Rat sich
auf Druck des Kammergerichts und des Mainzer Erzbi-
schofs gezwungen sah, die Messe in der Bartholomäus-
kirche 1535 zu restituieren, haben Bossert, Wiederein-
führung, S. 146-153, Dienst, Gottesdienst, Anl. 79 und
Jahns, Bund, S. 369 Anm. 235 widerlegt.
64 Die detaillierte Darstellung der Ereignisse liefert Jahns,
Bund, S. 249-398.
65 Dienst, Gottesdienst, S. 133.

66 Vgl. Beumer, Königstein, S. 81-83; Euler, Beiträge
1907, S. 161-170; Jahns, Frankfurt, S. 163.
67 Jahns, Bund, S. 48f.; dies., Frankfurt, S. 171.
68 Dienst, Gottesdienst, S. 136f., 140; vgl. Johann, Kon-
trolle, S. 96; Dechent, Kirchengeschichte 1, S. 142.
Abdruck der Ulmer Kirchenordnung bei Sehling, EKO
XVII/2, S. 121-162.
69 Beck, Rat und Kirche, S. 516-523; Dienst, Gottes-
dienst, S. 134, 139f.
70 IfSG Frankfurt, Ratschlagungsprotokolle 3 (1534-1544),
fol. 29v (19. Okt. 1536); Bürgermeisterbücher 1536,
fol. 60r.; Haas, Reformation, S. 46 Anm. 78; Ritter,
Denckmahl, S. 249; Dienst, Gottesdienst, S. 145.
71 IfSG Frankfurt, Bürgermeisterbücher 1538, fol. 35v.

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