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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0512
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Die Reichsstadt Frankfurt

ihnen aufgrund ihres Bekenntnisstandes freundlicher gesonnen sei als den Anglikanern und dass er ihrer
Glaubensrichtung „zu erneuter Dominanz“ verhelfen würde.182 Whittingham argumentierte, wenn der Rat
nicht eingriffe, würde der Konflikt innerhalb der englischen Gemeinde unweigerlich Unruhe in die gesamte
Stadt tragen. Der Frankfurter Magistrat beharrte jedoch darauf, dass Poullains Liturgia sacra als Kir-
chenordnung für sämtliche Fremdengemeinden bindend sei. Die Anglikaner fügten sich dieser Anordnung
zwar zunächst, sie erreichten jedoch, dass John Knox aus Frankfurt ausgewiesen wurde, da er eine Schrift
veröffentlicht hatte, mit der er des Hochverrats gegen den Kaiser schuldig geworden war. Knox verließ die
Reichsstadt und ging am 26. März 1555 nach Genf, wohin ihm im August die Frankfurter Fraktion der
Puritaner unter Whittinghams Führung folgte.183
Die Anglikaner waren in Frankfurt zurückgeblieben. Im Januar 1557 kam es unter ihnen zu Auseinan-
dersetzungen um die Kompetenzen der Geistlichen. Als man den Rat um Vermittlung ansuchte, erklärte
dieser sämtliche Geistlichen für abgesetzt, gewährte aber die Wiederwahl durch die Gemeindeversammlung.
Zuvor sollte diese jedoch darüber beraten, wie die Machtbefugnisse der Geistlichen in Zukunft aussehen
sollten. Hierüber entstand erneut Zwist, der die Gemeinde in zwei Lager spaltete. Die Fraktion um den
abgesetzten Geistlichen Robert Horne plädierte für die weitgehende Beibehaltung der alten Ordnung. Die
andere Fraktion, die die Mehrheit bildete, war daran interessiert, eine völlig neue Ordnung zu konzipie-
ren.184 Diese beiden Ordnungen, die als Old Discipline und New Discipline bezeichnet wurden, regelten die
Amtsbefugnisse der Geistlichen in der englischen Exilgemeinde.
Die Old Discipline ist ein kurzer, etwas mehr als vier Druckseiten umfassender Text, der Bestimmungen
zur Aufnahme neuer Gemeindeglieder, zum Katechismusunterricht, für die Anwendung der Kirchenzucht,
sowie die Amtsvollmachten der Geistlichen, Ältesten und Diakone enthält. Die wesentlich umfangreichere
New Discipline enthält auf 19 Druckseiten 73 Paragraphen, die in eine Vorrede sowie vier große Abschnitte
untergliedert sind:
Vorrede (Nr. 1-3)
I. Von der Lehre (Nr. 4)
II. Von den Sakramenten, dem allgemeinem Gebet und den Geistlichen (Nr. 5-14)
III. Vom christlichen Leben und guten Werken (Nr. 15-32)
IV. Kirchenzucht, Wahl der Geistlichen, Zusammensetzung und Einberufung von Synoden, Zulassung zum
Abendmahl, Durchführungsbestimmungen zur Kirchenzucht (Nr. 33-73).185
Obwohl die englische Gemeinde nach Wegzug der Knox’schen Fraktion durchweg anglikanischen Charakter
besaß, lässt die New Discipline innerhalb des bestehenden Rahmens des Second Book of Common Prayer
Züge gemeindlicher Weiterentwicklung erkennen. So war die Gemeindeleitung ähnlich strukturiert wie zu
Zeiten von Knox und Whittingham: Statt von einem Pastor allein sollte die Gemeinde von zwei gleichbe-
rechtigten Geistlichen geleitet werden. Als Qualifikation für ihr Amt war weniger das Studium der Theo-
logie erforderlich als vielmehr die Erfüllung der in Paulus’ Briefen an Timotheus und Titus186 dargelegten
Anforderungen.187
Die New Discipline war von einem 15-köpfigen Gremium ausgearbeitet worden. Der Entwurf wurde der
Gemeinde nach dem 20. März 1557 in fünfmaliger Lesung bekannt gegeben und schließlich mit den Unter-
schriften von 42 der insgesamt 62 männlichen Gemeindemitglieder verabschiedet. Infolge des Protests der

182 Ebd., S. 191.
183 Über die Auseinandersetzungen der im Entstehen begrif-
fenen Fraktionen der Anglikaner und Puritaner in
Frankfurt siehe Knappen, Tudor Puritanism, S. 118-
162; Molen, Anglican Against Puritan, S. 45-57; Co-
well, Refugee Churches, S. 224-230.

184 Massinger, Emigrantengemeinde, S. 197.
185 Vgl. den zu einzelnen Passagen beider Disciplines sehr
ausführlichen Kommentar bei Simpson, John Knox,
S.103-111.
186 1Tim 3,1-7; Tit 1,5-9.
187 Massinger, Emigrantengemeinde, S. 198.

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