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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (9. Band = Hessen, 2): Die geteilte Landgrafschaft Hessen 1582-1618 - Grafschaften Waldeck, Solms, Erbach und Stolberg-Königstein - Reichsstädte Frankfurt, Friedberg, Gelnhausen und Wetzlar — Tübingen: Mohr Siebeck, 2011

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https://doi.org/10.11588/diglit.30289#0643
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Einleitung

Luthertum entschied, und in seinem Geiste gaben beide, Burg und Stadt, 1569 eine gemeinsame evangeli-
sche Kirchenordnung heraus, die 1633 und 1700 erneuert wurde“.34 Die von Press erwähnte Friedberger
Kirchenordnung von 1633 ist nicht erhalten, ihre ehemalige Existenz kann jedoch aus der Vorrede des
überlieferten Drucks von 1700 erschlossen werden.35 Letzterer ist ein umfangreiches Werk mit breitem
Regelungsspektrum, das sich jedoch kaum aus der thematisch sehr eingeschränkten Fest- und Feiertagsord-
nung von 1569 entwickelt haben wird.
Die in der Forschungsliteratur immer wieder erwähnte Friedberger Kirchenordnung von 1569 als umfas-
sendes Regelwerk hat es also vermutlich nicht gegeben. In diesem Jahr wurde lediglich eine Fest- und
Feiertagsordnung mit einem kurzen Abschnitt zur Abendmahlspraxis verabschiedet, wie sie auch im Rats-
protokoll erwähnt ist. Friedrich Grein lag diese Ordnung Ende des 19. Jahrhunderts noch vor, inzwischen
gilt sie jedoch als verloren. Die älteste erhaltene Friedberger Kirchenordnung ist eine handschriftliche
Agende von 1665.36 Die älteste überlieferte gedruckte Kirchenordnung stammt von 1700.

1. Wiedererrichtung des Friedberger Landkapitels als evangelische Institution 15. November 1565
(Text S. 627)
In den mittelalterlichen Ruralkapiteln fanden sich die Pfarrer der einzelnen Landdekanate zusammen. Das
Friedberger Kapitel, das bereits Anfang des 14. Jahrhunderts bestand, vereinigte die Pfarrer von rund 90
Ortschaften aus der Landgrafschaft Hessen, der Fuldischen Mark und den Grafschaften Königstein, Nas-
sau, Hanau-Münzenberg, Isenburg, Solms sowie der Burg und Stadt Friedberg.37
In den 1520er Jahren kam es unter den Kapitularen zu Auseinandersetzungen, da immer mehr Mit-
glieder der reformatorischen Bewegung anhingen. Man einigte sich schließlich erst 1547 darauf, die evan-
gelischen Kapitelsbrüder gleichberechtigt zu behandeln. Das 1548 in Friedberg eingeführte Augsburger
Interim veränderte die Situation jedoch:38 Die katholischen Kapitulare schlossen die Protestanten aus ihren
Reihen aus und zogen - unterstützt vom Mainzer Erzbischof - das Kapitelvermögen an sich. Die evange-
lischen Mitglieder wandten sich schließlich 1565 um Hilfe an Philipp I. von Hessen. Dieser berief für den
14. November dieses Jahres eine außerordentliche Synode nach Friedberg ein, auf der die Neugründung des
Ruralkapitels als evangelische Institution unter Ausschluss der Katholiken beschlossen wurde.39
Am Tag darauf konstitutierte sich das evangelische Ruralkapitel, dem die überwiegende Mehrheit der
früheren rund 90 Pfarrer angehörte,40 und gab sich eine Ordnung. Der Restaurationsrezess vom 15. Novem-
ber 1565 ist in zwei Abdrucken von 1731 und 1758 erhalten.41 Der Rezess schildert zunächst die Umstände,
die zur Neugründung des Kapitels geführt hatten, und bietet anschließend die Ordnung für die Zusam-
menkünfte der Mitglieder. Die erste Sitzung des evangelischen Landkapitels fand am 11. Juni 1566 in

34 Press, Friedberg, S. 14f.
35 „Kirchen-Ordnung, Wie es mit der Christlichen Lehre
und Ceremonien in des Heil. Röm. Reichs Stadt Fried-
berg in der Wetterau gehalten wird, Wie solche anno
1633 renovirt, anitzo aber cum consensu Dnn. superio-
rum zum Druck befördert worden ... Gedruckt bey
Johann Valentin Häring, MDCC“. Das vermutlich ein-
zige Exemplar dieser Kirchenordnung ist in der Fürste-
nauer Kirchenbibliothek überliefert (Nr. 2297), die sich
heute als Dauerleihgabe in der Bibliothek der Lutherisch
Theologischen Hochschule in Oberursel befindet. Vgl.
folgende Anm.
36 „Agenda der Pfarrkirchen der Statt Friedberg auß dem
größeren Formular extrahiret ... durch Johann Henrich
Henrici pastorem ibid. Anno 1665 die 24. Julii“. Diese
befindet sich in der Fürstenauer Kirchenbibliothek
(Nr. 2296), siehe vorige Anm.

37 Eine genaue Liste der zugehörigen Pfarrorte bieten Kö-
nig, Dissertatio, Lit. B und Diehl, Ruralkapitel, S. 20.
38 Grein, Entwicklung, S. 30-34, 73-75; Heymann, Wie-
derbelebung, S. 83f.
39 Diehl, Ruralkapitel, S. 53, 57f.; Heymann, Wieder-
belebung, S. 84f.
40 Eine Liste der zum Friedberger evangelischen Kapitel
gehörenden Pfarreien bietet Heymann, Wiederbele-
bung, S. 87.
41 Daneben sind handschriftliche Berichte über die Wieder-
errichtung des Friedberger Kapitels sowie weitere Akten
des Friedberger Landkapitels erhalten im Fürst zu
Solms-Hohensolms-Lich’schen Archiv in Lich sowie im
Pfarrarchiv Echzell, Herrmann, Inventar, S. 224-228;
Heymann, Wiederbelebung, S. 83.

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