Die Reichsstadt Wetzlar
gemeinsame Patronat von Marienstift und Rat blieb auch nach Einführung der Reformation bestehen.14
Unter den zahlreichen Kapellen in der Reichsstadt trat St. Walpurgis hervor. Diese Kirche hatte der
Pfarrgemeinde seit dem 1235 begonnenen Neubau der Marienkirche vermutlich als Ausweichort gedient,
und sie spielte in der Reformationszeit für die evangelische Gemeinde erneut eine wichtige Rolle.15 Seit 1262
waren die Franziskaner in Wetzlar ansässig. Ende des 13. Jahrhunderts wurde ein Deutschordenshof errich-
tet, der jedoch nie den Status eines Klosters erlangte, daneben gab es mehrere Beginenhäuser sowie ein
Hospital.16
2. Die reformatorische Bewegung 1524-1548
Die Reformationszeit in Wetzlar ist aufgrund fehlender Quellen schlecht dokumentiert und noch nicht
umfassend erforscht.17 Die wenigen erhaltenen Archivalien sind verstreut überliefert. Ein geringer Teil wird
im Stadtarchiv Wetzlar aufbewahrt. Das Archiv der Wetzlarer evangelischen Kirchengemeinde, in dem nur
wenige Stücke aus der Reformationszeit erhalten geblieben sind, befindet sich im Archiv der Evangelischen
Kirche im Rheinland, Archivstelle Boppard. Die umfangreichste und bedeutendste Überlieferung zur früh-
neuzeitlichen Kirchengeschichte der Reichsstadt ist im Archiv des Wetzlarer Marienstifts in Wetzlar erhal-
ten.18
Von der frühen reformatorischen Bewegung in umliegenden Territorien und Reichsstädten, allen voran
in der Landgrafschaft Hessen, den Grafschaften Nassau-Weilburg und Nassau-Dillenburg sowie in Frank-
furt wurde auch der Wetzlarer Rat beeinflusst.19 Bereits 1524 griff er in die kirchlichen Finanzen ein, indem
er den Stiftsschatz von St. Marien und den des Franziskanerklosters inventarisierte, ein Akt, der zu erneu-
ten Auseinandersetzungen zwischen dem städtischen Magistrat und dem Marienstift führte.20 Trotz dieser
Eingriffe in den Rechtsraum altgläubiger Institutionen war der Rat der Reichsstadt Wetzlar zunächst nicht
an der Einführung der Reformation interessiert.
Im Zuge des Bauernkriegs kam es 1525 zu Unruhen unter der Bürgerschaft, die ebenso wie in Frankfurt
in Beschwerdeartikeln zum Ausdruck kamen. An der Spitze die Forderungen stand der Wunsch nach einem
evangelischen Prediger.21 Der Pfarrer Conrad Diepel predigte 1535 die neue Lehre in der Stiftskirche, er
wurde daraufhin jedoch von Rat und Stift seines Amts entsetzt. Seine Nachfolger waren Gerhard Lorich
aus Hadamar, der bis 1542 in Wetzlar blieb, und Antonius Wedensis, der vermutlich erst 1549 in die Stadt
kam.22
Bock, Wetzlarer Dom, S. 70-72; Schulten, Zwo reli-
gionen, S. 87.
14 Schindling/Schmidt, Frankfurt, S. 56.
15 1235 war mit dem Neubau begonnen worden. Ende des
15. Jahrhunderts war der Bau der Westfassade noch
nicht abgeschlossen. Der Bau blieb unvollendet. Dass
die Kanoniker ebenfalls in der Walpurgiskapelle ihre
Messen feierten, wie Schulten, Zwo religionen, S. 93
annimmt, ist jedoch zu bezweifeln, da der Chor der
Stiftskirche im Jahre 1250 ja fertiggestellt war, Mar-
schall, Marienstift, S. 19. Vgl. Schulten, Walpurgis-
kapelle, S. 35-44.
16 Flender, Franziskanerkloster; Chelius, Kurtze Be-
schreibung, S. 3.
17 Schindling/Schmidt, Frankfurt, S. 55.
18 Das Archiv der Wetzlarer Marienkirche ist derzeit nicht
öffentlich zugänglich. Ich danke Herrn Pfarrer Peter
Kollas und Elvira Rückert für Ihre großzügige Bereit-
schaft, mir Einsicht in die Archivalien gewährt zu
haben. Das Stadtarchiv Wetzlar besitzt ein Verzeichnis
der Reformationsakten des Marienstiftsarchivs, das
Franz Schulten 1991 angefertigt hat: Schulten, Ver-
zeichnis.
19 Press, Wetzlar, S. 64.
20 Inventarliste im AWM Wetzlar, 1524-5; vgl. Schul-
ten, Antonius Wedensis, S. 97-99.
21 Schindling/Schmidt, Frankfurt, S. 55; Press, Wetz-
lar, S. 63f.; Wagner, Reformationsgeschichte, S. 83-89;
Struck, Quelle, S. 363-370; ders., Bauernkrieg, S. 44-
47.
22 Zu Gerhard Lorich siehe Struck, Zur Reformation,
S. 90-135; Schulten, Antonius Wedensis, S. 99-104;
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gemeinsame Patronat von Marienstift und Rat blieb auch nach Einführung der Reformation bestehen.14
Unter den zahlreichen Kapellen in der Reichsstadt trat St. Walpurgis hervor. Diese Kirche hatte der
Pfarrgemeinde seit dem 1235 begonnenen Neubau der Marienkirche vermutlich als Ausweichort gedient,
und sie spielte in der Reformationszeit für die evangelische Gemeinde erneut eine wichtige Rolle.15 Seit 1262
waren die Franziskaner in Wetzlar ansässig. Ende des 13. Jahrhunderts wurde ein Deutschordenshof errich-
tet, der jedoch nie den Status eines Klosters erlangte, daneben gab es mehrere Beginenhäuser sowie ein
Hospital.16
2. Die reformatorische Bewegung 1524-1548
Die Reformationszeit in Wetzlar ist aufgrund fehlender Quellen schlecht dokumentiert und noch nicht
umfassend erforscht.17 Die wenigen erhaltenen Archivalien sind verstreut überliefert. Ein geringer Teil wird
im Stadtarchiv Wetzlar aufbewahrt. Das Archiv der Wetzlarer evangelischen Kirchengemeinde, in dem nur
wenige Stücke aus der Reformationszeit erhalten geblieben sind, befindet sich im Archiv der Evangelischen
Kirche im Rheinland, Archivstelle Boppard. Die umfangreichste und bedeutendste Überlieferung zur früh-
neuzeitlichen Kirchengeschichte der Reichsstadt ist im Archiv des Wetzlarer Marienstifts in Wetzlar erhal-
ten.18
Von der frühen reformatorischen Bewegung in umliegenden Territorien und Reichsstädten, allen voran
in der Landgrafschaft Hessen, den Grafschaften Nassau-Weilburg und Nassau-Dillenburg sowie in Frank-
furt wurde auch der Wetzlarer Rat beeinflusst.19 Bereits 1524 griff er in die kirchlichen Finanzen ein, indem
er den Stiftsschatz von St. Marien und den des Franziskanerklosters inventarisierte, ein Akt, der zu erneu-
ten Auseinandersetzungen zwischen dem städtischen Magistrat und dem Marienstift führte.20 Trotz dieser
Eingriffe in den Rechtsraum altgläubiger Institutionen war der Rat der Reichsstadt Wetzlar zunächst nicht
an der Einführung der Reformation interessiert.
Im Zuge des Bauernkriegs kam es 1525 zu Unruhen unter der Bürgerschaft, die ebenso wie in Frankfurt
in Beschwerdeartikeln zum Ausdruck kamen. An der Spitze die Forderungen stand der Wunsch nach einem
evangelischen Prediger.21 Der Pfarrer Conrad Diepel predigte 1535 die neue Lehre in der Stiftskirche, er
wurde daraufhin jedoch von Rat und Stift seines Amts entsetzt. Seine Nachfolger waren Gerhard Lorich
aus Hadamar, der bis 1542 in Wetzlar blieb, und Antonius Wedensis, der vermutlich erst 1549 in die Stadt
kam.22
Bock, Wetzlarer Dom, S. 70-72; Schulten, Zwo reli-
gionen, S. 87.
14 Schindling/Schmidt, Frankfurt, S. 56.
15 1235 war mit dem Neubau begonnen worden. Ende des
15. Jahrhunderts war der Bau der Westfassade noch
nicht abgeschlossen. Der Bau blieb unvollendet. Dass
die Kanoniker ebenfalls in der Walpurgiskapelle ihre
Messen feierten, wie Schulten, Zwo religionen, S. 93
annimmt, ist jedoch zu bezweifeln, da der Chor der
Stiftskirche im Jahre 1250 ja fertiggestellt war, Mar-
schall, Marienstift, S. 19. Vgl. Schulten, Walpurgis-
kapelle, S. 35-44.
16 Flender, Franziskanerkloster; Chelius, Kurtze Be-
schreibung, S. 3.
17 Schindling/Schmidt, Frankfurt, S. 55.
18 Das Archiv der Wetzlarer Marienkirche ist derzeit nicht
öffentlich zugänglich. Ich danke Herrn Pfarrer Peter
Kollas und Elvira Rückert für Ihre großzügige Bereit-
schaft, mir Einsicht in die Archivalien gewährt zu
haben. Das Stadtarchiv Wetzlar besitzt ein Verzeichnis
der Reformationsakten des Marienstiftsarchivs, das
Franz Schulten 1991 angefertigt hat: Schulten, Ver-
zeichnis.
19 Press, Wetzlar, S. 64.
20 Inventarliste im AWM Wetzlar, 1524-5; vgl. Schul-
ten, Antonius Wedensis, S. 97-99.
21 Schindling/Schmidt, Frankfurt, S. 55; Press, Wetz-
lar, S. 63f.; Wagner, Reformationsgeschichte, S. 83-89;
Struck, Quelle, S. 363-370; ders., Bauernkrieg, S. 44-
47.
22 Zu Gerhard Lorich siehe Struck, Zur Reformation,
S. 90-135; Schulten, Antonius Wedensis, S. 99-104;
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