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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2010 — 2011

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I. Das Geschäftsjahr 2010
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Antrittsreden
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Lehmann-Horn, Frank: Antrittsrede von Herrn Frank Lehmann-Horn an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 24. Juli 2010
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https://doi.org/10.11588/diglit.55658#0213
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Frank Lehmann-Horn

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zwei Ausgleichswellen und einem Zylinderkopf konstruiert, der zur Emissionssen-
kung leicht modifiziert werden konnte. Das war 1972, also noch vor der ersten
Ölkrise im Jahre 1973.
Im letzten Semester des Maschinenbaustudiums bin ich über eine Arbeit im
Fach „Ingenieraufgaben in der Medizin“ erstmals mit medizinischen Fragestellun-
gen in Berührung gekommen und war gleich fasziniert. Ich war so sehr fasziniert,
dass ich mit meinen 23 Jahren parallel zu meiner Diplomarbeit das Medizinstudium
begonnen habe. Dabei habe ich meine spätere Frau Christa kennengelernt, was
meine Motivation weiter gesteigert hat. Wir haben einige Jahre später geheiratet und
über die Jahre hinweg drei Söhne bekommen, die inzwischen alle erwachsen und aus
dem Haus sind. Wir sind nunmehr 33 Jahre glücklich verheiratet.
Für das Erst- und Zweitstudium habe ich mit dem Bau von Fernsehantennen
und mit Autoreparaturen Geld hinzuverdient. Häufig aber musste ich als Citroen-
Fahrer mein eigenes Auto reparieren. Mit Begeisterung habe ich einen Citroen Ami
6, der em gewöhnungsbedürftiges Heck hatte, zu einem Fließheck Ami 6 umgebaut,
der später in ganz ähnlicher Weise als Ami 8 auf den Markt kam. Wenn der Ami 8
em Verkaufsschlager geworden wäre, hätte ich wahrscheinlich von Citroen eine Pro-
vision verlangt. Aber der Ami 8 war ein Verkaufsflop.
Nach dem Medizinstudium war ich dann als wissenschaftlicher Mitarbeiter im
Physiologischen Institut der TU München tätig. Die Physiologie ist neben der
Anatomie und der Biochemie das dritte große Fach der vorklinischen Medizin; sie
lehrt und erforscht die Funktion der Organe auf der Basis physikalischer Gesetze,
die den Medizinstudenten durch die fallbezogene Anwendung vermittelt werden
können. Der Lehrstuhlinhaber des Physiologischen Instituts, Prof. Dudel, war sich
nicht im Klaren, was er von mir, einem Maschinenbauer und Mediziner, halten soll-
te. Er meinte, „ich wüsste wohl nicht, was ich will“, aber mit der Zeit habe ich her-
ausgefunden, dass alle Mitarbeiter des Instituts zwei Studiengänge absolviert hatten.
Also lauter Leute, die nicht wussten, was sie wollten, aber die meisten waren doch
recht erfolgreich. Ich habe bei Reinhardt Rüdel über die Muskelfunktion gearbei-
tet und dabei mein wissenschaftliches Thema gefunden, das mich bis auf den heu-
tigen Tag fasziniert, nämlich die Erforschung von Muskelkrankheiten. Nach gut
einem Jahr als Physiologe hat es mich in die Klinik zur Facharztausbildung in
Neurologie gedrängt. Als junger Mediziner meint man, man würde alles vergessen,
wenn man die klinische Tätigkeit für länger als ein Jahr aussetzt, und das würde sich
im ersten Nachtdienst, in dem man auf sich allein gestellt ist, bitter rächen. Diese
Angst ist natürlich unbegründet, und später, wenn man in der Klinik als Arzt über
Gebühr eingesetzt wird, träumt man von den angenehmen Zeiten in der Lehre und
Forschung.
Die Ausbildung zum Neurologie-Facharzt war großartig, wenn auch durch die
Doppelbelastung mit Klinik und Forschung sehr anstrengend. Zur Facharztausbil-
dung Neurologie gehört auch ein Jahr in der Psychiatrie, das ich wegen der vor-
bildlichen Teamarbeit zwischen Ärzten, Psychologen, Schwestern und Ergothera-
peuten nicht missen möchte. Neben der klinischen Tätigkeit habe ich abends, nachts
und an den Wochenenden Muskelkrankheiten erforscht, und dabei habe ich mit
 
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