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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2010 — 2011

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I. Das Geschäftsjahr 2010
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Antrittsreden
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Lehmann-Horn, Frank: Antrittsrede von Herrn Frank Lehmann-Horn an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 24. Juli 2010
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https://doi.org/10.11588/diglit.55658#0212
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228 | ANTRITTSREDEN

Antrittsrede von Herrn FRANK LEHMANN-HORN
an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 24. Juli 2010.


Ich wollte erst einen Tag nach der Währungsreform auf
die Welt kommen, damit meine Eltern außer mir auch
gleich noch 40 Deutsche Mark bekommen. Die
Währungsreform war am 21. Juni 1948. Von vier Brü-
dern bin ich der Jüngste und damit einer, den man all-
gememhm als Nesthäkchen bezeichnet. Mein Geburts-
ort ist Michlbach in Mittelfranken, ein kleines Dorf, das
durch die Gebietsreform in den 70-er Jahren der Ober-
pfalz zugeschlagen wurde. Für einen Franken aus
Michlbach, der noch dazu Frank heißt, hat die Gebiets-
reform deshalb einen üblen Beigeschmack.

Aufgewachsen bin ich ab dem 2. Eebensjahr im
Zentrum von München. In der Volksschule wurde ich mit unfeinen Methoden von
Links- auf Beidhändigkeit umgeschult. Dann folgten neun Jahre Theresien-Gymna-
sium nahe der Theresienwiese, auf der das Oktoberfest stattfindet. Auf dem Fries des
alten Gebäudes steht noch heute „Königlich-bayerisches Theresien-Gymnasium“,
das zu niemer Schulzeit rem humanistisch und nur Jungen zugänglich war. Obwohl
ich ein relativ guter Schüler war, war ich nach dem Abitur unfähig, im fremdspra-
chigen Ausland klar zu kommen. Ich hätte den Beginn der Odyssee in Altgriechisch
vortragen können, aber das hätte kaum zur Verständigung beigetragen.
Trotz Latem und Griechisch oder vielleicht wegen Latem und Griechisch war
ich vorwiegend handwerklich orientiert, half meinen Eltern und Brüdern neben der
Schule sieben Jahre lang beim Umbau eines großen alten Bauernhauses, das meine
Eltern vor den südlichen Toren Münchens gekauft hatten. Für das Einreißen der
Tennen und Remisen und den Umbau kauften wir einen alten, kräftigen Lanz-Bull-
dog, der wie alle anderen die typische, etwas grau eingefärbte blaue Farbe, den Glüh-
kopf und das seitliche große Schwungrad hatte und schon von weitem durch den
charakteristischen explosiven Ton des großen Einzylindermotors zu erkennen war.
Übrigens, die von Heinrich Lanz kreierte Bezeichnung ‘Bulldog’ wurde für alle
Traktoren verwendet. Ich erzähle dies, weil Lanz unsere Akademie enorm unterstützt
hat.
Nach dem Abitur habe ich an der TU München Maschinenbau studiert,
das damals ein Numerus-clausus-Fach war, was heutzutage unvorstellbar ist. Unvor-
stellbar ist heute auch, dass man nach einem humanistischen Gymnasium ein Inge-
nieurstudium beginnt. Mit Begeisterung habe ich auch das fürs Studium nötige
Praktikum gemacht, d.h. in einer Gießerei gearbeitet, in einer Modellschreinerei
Holzmodelle für den Gießprozess gefertigt und in einer Schmiede gearbeitet. Auch
das theoretische Studium hat mir, nachdem ich in den ersten Monaten eine mir
unbekannte, aber als bekannt vorausgesetzte Mathematik staunend nachgeholt hatte,
sehr gut gefallen. Als Diplomarbeit habe ich einen 1-Zylinder-Versuchsmotor mit
 
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