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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2010 — 2011

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I. Das Geschäftsjahr 2010
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Heidelberger Akademie-Vorlesung
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Kasper, Walter: Das Christentum im Dialog der Religionen
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https://doi.org/10.11588/diglit.55658#0169
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23. November 2010 | 185

HEIDELBERGER AK AD E M IE - VO R LES U NG
23. November 2010
WALTER KARDINAL KASPER
Das Christentum im Dialog der Religionen
Dringlichkeit und Probleme des Religionsdialogs
Die gegenwärtige Welt- und Menschheitssituation ist geprägt ist von einer Globa-
lisierung, wie sie die Menschheit so bisher nicht kannte. Sie geht weit über den
Bereich wirtschaftlicher Verflechtung hinaus. Durch die weltweite Migration von vie-
len Millionen von Menschen, durch weltweite Vernetzung mit Hilfe der elektroni-
schen Medien, durch die bisher nicht mögliche Mobilität und den Massentourismus
sind die Völker und Kulturen einander näher gerückt; die bisher getrennt voneinan-
der lebenden Religionen und Kulturen sind heute mitten unter uns präsent.
Diese neue Situation hat ihre Chancen. Sie hilft für em besseres Sich-kennen-
lernen von Menschen, Kulturen und Religionen. Spätestens seit dem September
2001 sind freilich auch die Probleme dieser neuen Situation offenkundig und das
dann enthaltende Konfliktpotential deutlich geworden. Der Traum von einem
schiedlich-friedlichen Nebeneinander in einer multikulturellen Gesellschaft und die
Idee eines toleranten Religionspluralismus, die oft als Ausdruck einer modern-auf-
geklärten säkularen Einstellung des Denkens galten, sind nun dem harten Test der
Wirklichkeit ausgesetzt, und der Traum ist einer neuen Nachdenklichkeit gewichen.
Dabei ist das Thema Religion und Gewalt zum vordringlichen öffentlichen Thema
geworden.1
Die neue Situation hat dazu geführt, dass die öffentliche Bedeutung der Region
neu Thema wurde. In den 70er und in den 80er Jahren galt weithin die These,
dass im Prozess der Modernisierung auch der Prozess der Säkularisierung mit einer
geradezu naturgesetzlichen Dynamik unaufhaltsam fortschreiten werde, so dass die
Religion allmählich von selbst absterben und gleichsam verdunsten werde.2 Diese
Säkularisierungsthese ist heute weitgehend aufgegeben. Ihre Voraussage hat sich nicht
nur nicht erfüllt, die Religion hat eine erstaunliche Aufkärungs-Resistenz gezeigt
und sie ist neu auch zu einem öffentlichen Faktor geworden. Manche sprechen

1 J. Assmann, Moses der Ägypter, München 1998; Mosaische Unterscheidung oder der Preis des
Monotheismus, München 2003; Monotheismus und die Sprache der Gewalt, Wien 2006;
I. Beck, Der eigene Gott. Von der Friedfertigkeit und dem Gewaltpotential der Religionen,
Frankfurt a.M. 2008.
2 Dazu neuerdings das Standardwerk vonTailor, A Secular Age, Cambridge (Mass)/ London 2007.
Ch.Tailor zeigt zu Recht nochmals, dass die Säkularisierungstheorie, die von einem notwendi-
gen Zusammenhang von Modernisierung und Säkularisierung ausgeht, überholt ist. Zur älteren
Diskussion, vgl.W. Kasper, Art. Säkularisierung, in: StL IV (1988) 993—998.
 
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