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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0086
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82 | 4. Die Grafschaft Flandern

Allodialbesitz, zu dem unter anderem eine eigene Burg gehörte.335 Diese Großen
standen, wie Galbert bemerkt, an zweiter Stelle nach dem Grafen und hatten das
Recht, diesen zu wählen oder über ihn zu richten.336 Diese bedeutende Gruppe von
Adligen lässt sich zudem geographisch in das Gebiet Reichsflanderns und in den
Süden der Grafschaft verorten. Ihre besondere Stellung erlangten sie vorwiegend
seit dem 10. Jahrhundert, als diese Gegenden zwischenzeitlich aus dem Einflussbe-
reich der Grafen verschwanden.337 Ab dem 11. Jahrhundert orientierten sich diese
Großen, wie Mazel unterstreicht, an der gräflichen Politik. Eine imitatio comitis
fand dahingehend statt, dass sie ihre eigenen Burgen errichteten, Klöster und Stifte
gründeten und sich gleichermaßen um deren »Reform« sorgten.338
Während jene Großen vorwiegend an der Peripherie der Grafschaft angesiedelt
waren, finden sich im flandrischen Kernland weitere wichtige adlige Familien, die
im Dienst des Grafen standen und die großen Kastellaneien verwalteten.339 Ab dem
11. Jahrhundert trat neben diese Gruppe die der Ministerialen. Als Dienstleute des
Grafen, die unfreier Abkunft waren, sollten sie recht schnell bedeutende Funktio-
nen übernehmen. Die Kastellaneien von Brügge und Veurne waren so beispiels-
weise bereits im 11. Jahrhundert in den Händen von Ministerialen.340 Das berühm-
teste Beispiel für aufsteigende Ministerialen ist aber zweifelsohne die Familie der
Erembalde, von der bereits die Rede war.341
Ab dem 12. Jahrhundert leisteten die Ministerialen zudem das hominium gegen-
über dem Grafen, wodurch sie mehr und mehr auf eine Stufe mit dem Geburtsadel
gestellt wurden und eine Art »neuen Adel« bildeten.342 Sie entwickelten ein eigenes
sehr starkes Selbstbewusstsein, das letztlich auf eine Angleichung mit dem Adel
abzielte. Galbert berichtet beispielsweise, dass Karl der Gute mit Erstaunen ver-
nommen habe, dass die Familie der Erembalde unfreier Abkunft war und macht da-
335 E. Warlop, The Flemish Nobility, S. 142-145.
336 Galbert von Brügge, De multro, c. 106, S. 151, Z. 36-42: »Notum igitur facimus universis tarn regi quam
ipsius principibus, simulque praesentibus et successoribus nostris, quod nihil pertinet ad regem Franciae
de electione vel positione comitis Flandriae sive sine herede aut cum herede obiit, sed terrae compares et
cives proximum comitatus heredem eligendi habent potestatem et in ipso comitatu sublimandi possident
libertatem.«
337 Im Süden handelt es sich vor allem um die Herren von Aubigny, Bethune, Lens, Lillers und die Grafen
von Boulogne, Guines und Saint-Pol; vgl. hierzu zusammenfassend und mit weiterführender Literatur
B. Meijns, Aken of Jeruzalem?, S. 433-436.
338 F. Mazel, Monachisme et aristocratie, S. 74.
339 D. Nicholas, Medieval Flanders, S. 67; A. Verhulst, Die gräfliche Burgenverfassung, S. 276; zu den ein-
zelnen Kastellaneien vgl. E. Warlop, The Flemish Nobility, S. 105-136.
340 D. Nicholas, Medieval Flanders, S. 67.
341 Zu den Erembalden vgl. J.B. Ross, Rise and Fall of a Twelfth-Century Clan; M. Ryckaert, Artikel
»Erembalde«; E. Warlop, The Flemish Nobility, S. 186-208; zum Amt des gräflichen Kanzlers, das
1080 von Graf Robert IE, während der Abwesenheit seines Vaters, an den Prior des Stiftes Sint-Donaas
in Brügge übertragen wurde, vgl. Th. de Hemptinne, Artikel »Robert II., Graf von Flandern.«
342 J. M. van Winter, Adel, ministerialiteit een riddershap, S. 130.
 
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