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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0386
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382 | III. Die Abtei Saint-Martin in Tournai

die Umstände der Konversion von Rudolf und Mainsendis, die, wie ich glaube,
der liebe Jesus, nicht wird vergessen können.«1542 Mit diesem Satz macht Hermann
zweierlei deutlich: Zum einen stellt diese Geschichte in seinen Augen den idealty-
pischen Verlauf einer Konversion dar. Angesichts einer Mönchsgemeinschaft, die
sich vornehmlich aus dem kanonikalen, adligen und ministerialen Milieu rekru-
tierte, war es dem Autor besonders wichtig, den Lesern ins Gedächtnis zu rufen,
aus welchen Motiven man den Habit nehmen sollte, wie dieser Schritt vorbereitet
und dann in die Tat umgesetzt werden sollte. Gerade in Anbetracht von Hermanns
Kritik an den Rekrutierungspraktiken zur Zeit der Abfassung seines Liber de re-
stauratione kommt dieser Geschichte einer idealen Konversion eine besondere Be-
deutung zu. Zum anderen ist die Konversion seiner Eltern auch ein besonders denk-
würdiges Ereignis für die gesamte Kloster- und Familiengeschichte. So begann an
jenem »besonders süßen Morgen« nicht nur der Tag, an dem Rudolf seine Familie
dem Heil zuführte, sondern auch jener Tag, der in der Geschichte des Klosters als
Wendepunkt angesehen werden darf. Seine Bekehrung und seine Stiftungen trugen
nämlich maßgeblich dazu bei, die Existenz des Klosters zu sichern: einerseits weil
Rudolf lange Jahre als fähiger und findiger Verwalter des Klosterbesitzes wirkte,
und andererseits, weil die Konversion seiner Familie in der Gegend eine regelrechte
Flut von Konversionen ausgelöst hatte. Hermann bemerkt hierzu, dass es gewesen
sei, wie es in der Apostelgeschichte geschrieben steht: Sie verkauften alles, was sie
hatten (und gaben den Erlös Odo).1543 In Hermanns Augen war die restauratio des
Klosters nur durch das Zutun der Familie Osmund möglich. In einer Gemeinschaft,
in der ebenfalls Mitglieder der Familie der Avesnes lebten, ist dies eine sehr deutli-
che Aussage.1544
Eine innerklösterliche Gruppe, um die in der Zeit um 1100 innerhalb des
Mönchtums große Debatten geführt wurde, waren die pueri oblati, da sie nicht aus
eigenem Entschluss, sondern auf Wunsch der Eltern ins Kloster gegeben wurden.1545
Hermann, der selbst ein puer oblatus war, spricht sich in seinem Liber de restau-
ratione recht deutlich für die Oblation von Kindern aus. Immer wieder hielt er es
für besonders erinnerungswürdig, dass ein Mönch von Kindesbeinen an im Kloster
aufgewachsen war. Ein besonders eindrückliches Beispiel für einen dieser Kinder-
1542 Hermann, Liber, c. 62, S. 113: »Huiusmodi ergo fuit conversio Radulfi et Mainsendis, cuius non credo
pium lesum posse oblivisci.«
1543 Hermann, Liber, c. 65, S. 115: »Post hunc vero Henricum videres mirum in modum iuvenes et virgines,
senes cum iunioribus de tota provincia seculo relicto ad conversionem venientes, ita ut, sicut in Actibus
apostolorum legitur, vendentes ea que habebant, precia rerum suarum domno abbati Odoni deferrent.«
1544 Zu den Avesnes zählen Odo und einige Frauen: Ada, Agnes, Richildis etc.
1545 M. Lahaye-Geusen, Das Opfer der Kinder; M. de Jong, Kind en klooster; Dies., In Samuel’s Image;
J. Eastburn Boswell, The Kindness of Strangers; P. A. Quinn, Better Than the Sons of Kings; aber auch
J. Wollasch, Das Mönchsgelübde als Opfer.
 
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