6. Der Liber de restauratione und die correctio von 1136 | 383
mönche ist die Geschichte seines älteren Bruders Dietrich.1546 Im Jahr 1095, als die
Kleriker von Saint-Martin den Habit genommen hatten, habe dieser zusammen mit
seiner Mutter Mainsendis immer wieder die dort lebenden Mönche besucht und
ihnen Almosen gegeben. An einem Sonntag sei sie mit dem siebenjährigen Kind in
die dortige Kirche gegangen, um die Messe zu hören und die Prozession der Mön-
che anzuschauen. Während der Messe habe sich Dietrich von seiner Mutter entfernt
und zu den Mönchen gesellt. Als Mainsendis ihren Sohn nach dem Gottesdienst
nicht finden konnte, begab sie sich nach Hause, in der Annahme, Dietrich sei mit
den anderen Kindern spielen gegangen. Doch, so merkt Hermann an, niemand habe
geahnt, dass er sich bekehrt hatte.1547 Als schließlich der Vater auf der Suche nach
seinem Sohn nach Saint-Martin gekommen war, habe er diesen zwischen Aimerich
von Anchin und Odo sitzen sehen. Rudolf durfte sich dazusetzen und wurde in
den Geboten Gottes unterrichtet. Sodann habe Dietrich zu seinem Vater gesagt:
»Wenn Du möchtest, gehe nach Hause, grüße meine Mutter und meine Brüder und
sag ihnen, dass sie für mich beten sollen. Ich werde aber nie mehr nach Hause kom-
men, sondern werde hier bei den Armen bleiben. Ich kenne keinen Vater und keine
Mutter mehr, nur noch Gott und den heiligen Martin.«1548 Der Vater war darüber
sehr überrascht, dachte an einen Scherz und wies seinen Sohn darauf hin, dass er
weder ein Bett für die Nacht noch etwas zu essen habe. Dietrich erwiderte, dass er
auf dem nackten Boden schlafen und um Almosen betteln werde. Als Rudolf sei-
nen Sohn schließlich mit Gewalt nach Hause zerren wollte, habe ihn Aimerich er-
mahnt und dazu überredet, dem Sohn eine Nacht bei den Armen von Saint-Martin
zu gewähren, um zu sehen, ob diese Begierde von Gott komme oder ob es sich
um einfache Kinderei handle. Als die Mutter davon erfuhr, wollte sie ihr weiteres
Handeln von Dietrichs Entschluss abhängig machen. Wäre es Gottes Willen, dass
er bei Odo und seinen Gefährten blieb, so würde sich die ganze Familie für dieses
Kloster einsetzten.1549 Am folgenden Tag sah Rudolf, dass sein Sohn die Nacht gut
überstanden hatte, und teilte dies seinem Bruder Dietrich und allen Nachbarn mit.
In deren Gegenwart brachte er nun seinen siebenjährigen Sohn, der noch nicht das
1546 Dietrich sollte zunächst eine Präbende an der Kathedrale erhalten. Als er aber erfahren habe, dass ihm
diese durch Simonie zuteil werden sollte, lehnte das Kind diese ab, um nicht sein Seelenheil und das
seines Vaters zu gefährden; vgl. Hermann, Liber, c. 60, S. 106.
1547 Hermann, Liber, c. 62, S. 109: »Nullus conversionis eius supicionem habebat.«
1548 Hermann, Liber, c. 62, S. 109: »[...] «Vos«, inquit, «si vultis, domum redite matremque meam et fratres
meos salutate et ut pro me orent eis dicite: ego enim numquam amplius domum vestram ingrediar, sed
hic cum pauperibus istis remanebo, nec patrem aut matrem me habere cognosco nisi deum et sanctum
Martinum.«
1549 Andernfalls, so ist anzunehmen, für Saint-Amand.
mönche ist die Geschichte seines älteren Bruders Dietrich.1546 Im Jahr 1095, als die
Kleriker von Saint-Martin den Habit genommen hatten, habe dieser zusammen mit
seiner Mutter Mainsendis immer wieder die dort lebenden Mönche besucht und
ihnen Almosen gegeben. An einem Sonntag sei sie mit dem siebenjährigen Kind in
die dortige Kirche gegangen, um die Messe zu hören und die Prozession der Mön-
che anzuschauen. Während der Messe habe sich Dietrich von seiner Mutter entfernt
und zu den Mönchen gesellt. Als Mainsendis ihren Sohn nach dem Gottesdienst
nicht finden konnte, begab sie sich nach Hause, in der Annahme, Dietrich sei mit
den anderen Kindern spielen gegangen. Doch, so merkt Hermann an, niemand habe
geahnt, dass er sich bekehrt hatte.1547 Als schließlich der Vater auf der Suche nach
seinem Sohn nach Saint-Martin gekommen war, habe er diesen zwischen Aimerich
von Anchin und Odo sitzen sehen. Rudolf durfte sich dazusetzen und wurde in
den Geboten Gottes unterrichtet. Sodann habe Dietrich zu seinem Vater gesagt:
»Wenn Du möchtest, gehe nach Hause, grüße meine Mutter und meine Brüder und
sag ihnen, dass sie für mich beten sollen. Ich werde aber nie mehr nach Hause kom-
men, sondern werde hier bei den Armen bleiben. Ich kenne keinen Vater und keine
Mutter mehr, nur noch Gott und den heiligen Martin.«1548 Der Vater war darüber
sehr überrascht, dachte an einen Scherz und wies seinen Sohn darauf hin, dass er
weder ein Bett für die Nacht noch etwas zu essen habe. Dietrich erwiderte, dass er
auf dem nackten Boden schlafen und um Almosen betteln werde. Als Rudolf sei-
nen Sohn schließlich mit Gewalt nach Hause zerren wollte, habe ihn Aimerich er-
mahnt und dazu überredet, dem Sohn eine Nacht bei den Armen von Saint-Martin
zu gewähren, um zu sehen, ob diese Begierde von Gott komme oder ob es sich
um einfache Kinderei handle. Als die Mutter davon erfuhr, wollte sie ihr weiteres
Handeln von Dietrichs Entschluss abhängig machen. Wäre es Gottes Willen, dass
er bei Odo und seinen Gefährten blieb, so würde sich die ganze Familie für dieses
Kloster einsetzten.1549 Am folgenden Tag sah Rudolf, dass sein Sohn die Nacht gut
überstanden hatte, und teilte dies seinem Bruder Dietrich und allen Nachbarn mit.
In deren Gegenwart brachte er nun seinen siebenjährigen Sohn, der noch nicht das
1546 Dietrich sollte zunächst eine Präbende an der Kathedrale erhalten. Als er aber erfahren habe, dass ihm
diese durch Simonie zuteil werden sollte, lehnte das Kind diese ab, um nicht sein Seelenheil und das
seines Vaters zu gefährden; vgl. Hermann, Liber, c. 60, S. 106.
1547 Hermann, Liber, c. 62, S. 109: »Nullus conversionis eius supicionem habebat.«
1548 Hermann, Liber, c. 62, S. 109: »[...] «Vos«, inquit, «si vultis, domum redite matremque meam et fratres
meos salutate et ut pro me orent eis dicite: ego enim numquam amplius domum vestram ingrediar, sed
hic cum pauperibus istis remanebo, nec patrem aut matrem me habere cognosco nisi deum et sanctum
Martinum.«
1549 Andernfalls, so ist anzunehmen, für Saint-Amand.