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Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0049
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48

2. Gegenstand: Das Gewissen

Trotz klar verschiedener Begrifflichkeiten lassen sich für den Gewissenstraktat
des Petrus neben dieser strukturellen Analogie noch eine Reihe weiterer Bezüge
zur Systematisierung in De quattuor modis conscientiarum feststellen. Folgt man
zum Beispiel der Beschreibung, die der Benediktiner von der conscientia claust-
ralis gibt, so erkennt man die eben bereits vorgestellte conscientia bona et turbata
wieder: Das Gewissen der Mönche ist eines, das beständigen Anfechtungen aus-
gesetzt ist und sich daher stets aufs Neue bewähren muss. Durch die Beichte je-
doch wäre es ihnen möglich, einen Zustand zu erreichen, der gar als bona et
tranquilla beschrieben werden kann.124
Das Gewissen der Weltleute hingegen wird im Kontrast zu jenem der Mönche
als per se schlecht beschrieben. Derartige Vorstellungen von Exklusivität sind
wohl eines der markantesten Kennzeichen einer für das Christentum generell
typischen supererogatorischen Ethik, die im Mönchtum ihre deutlichste Ausprä-
gung erfuhr.125 Wer in der Welt lebt, sei, so Petrus, bereits durch diesen Ort und
das, was er dort tut, auf einem Weg, der zum Verderben führt.126 Doch wäre eine
solche conscientia noch nicht verloren: Sie könne neu erblühen, wenn der Mensch
sein Leben bessert.127 Die conscientia saecularium ist insofern der conscientia
mala et turbata von De quattuor modis vergleichbar - diese kann ja, wie be-
schrieben, ebenfalls noch zum Guten gekehrt werden. Auch die von Petrus
nachfolgend nur noch knapp behandelten Typen conscientia infernalis und
caelestis lassen sich mit den entsprechenden Attributen von Ruhe und Unruhe
beschreiben: So ist das höllische Gewissen gleichsam als mala et tranquilla zu
identifizieren, das himmlische hingegen als bona et tranquilla.128
Die Qualitäten der conscientia, die im Traktat Von den vier Arten der Gewis-
sen abstrakt bezeichnet wurden, sind hier, im Text des Petrus Cellensis, allego-
risiert und exklusiv auf die vita religiosa als Zielpublikum bezogen. Dies konnte
nicht ohne Konsequenz für das Verständnis des Gewissens als solches bleiben,
insofern seine beiden positiven Ausprägungen unmittelbar und direkt mit dem
Mönchtum verbunden wurden. Jede Übertragung der Konzeption des Benedik-
tiners aus der klösterlichen Sphäre in die der Welt hätte impliziert, dass auch dort
die Arten einer guten conscientia unmittelbar mit den Attributen der vita monas-
124 Ebd., S. 220-7; vgl. oben S. 45, Anm. 113.
125 Vgl. D. Heyd, Supererogation', U. Wessels, Die gute Samariterin. Zum Selbstverständnis des
Mönchtums als Elite innerhalb der Christianitas vgl. Chr. Burger, Leben als Mönch.
126 „Ut a quiete claustrali, sic a puritate vita et conscientia saecularium remota est. [...] Mutat pro-
fecto vultus suos utique non tantu in dies et annos, sed etiam in horas et momenta paene singu-
la. Vide forum, vide tabernam, vide theatrum, vide prostibulum, vide singulas officinas quorum
libet erratuum.“ Petrus Cellensis, De conscientia, S. 227.
127 „Revirescit itaque conscientia cum emendatur vita.“ Ebd., S. 228
128 Ebd., S. 228-30.
 
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