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Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0055
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2. Gegenstand: Das Gewissen

gen betreffen, dabei unsicher sein und überdies auf ein allzu enges Gewissen hin-
deuten. Insbesondere bei Gutheit oder Schlechtigkeit des Gewissens handelte es
sich um Qualitäten, die für Kombinationen mit anderen Formen in besonderer
Weise geeignet waren. Hieraus bezieht gerade das Motiv der vier Gewissensarten
einen großen Teil seiner Attraktivität.
Fünf Arten der conscientia meinte beispielsweise der Dominikaner Johannes
Herolt (f 1468) bestimmen zu können.155 In seiner Predigt zum dritten und
vierten Advent handelt er, ausgehend von der an Johannes den Täufer gerichteten
Frage, wer er sei („Tu quis es?“ Io 1.19), vom Gewissen und dessen Erforschung.
Weil jeder Tag der letzte sein könne, so Herolt unter Bezug auf Seneca (f 65),
müsse der Mensch sich in seinem Gewissen fragen, wer er sei, womit er zugleich
recht unvermittelt zum ersten Punkt seiner Predigt überleitet: dem fünffachen
Gewissen.156 Man müsse nämlich wissen, dass es fünf Arten der conscientia gebe,
von denen vier schlecht, nur eine aber gut sei. Schlecht sei als erste die „conscien-
tia dilata“, weil sie sich nur um Todsünden sorge, ihr alle anderen aber egal
seien.157 Schlecht sei als zweites die „conscientia infirma et nimis stricta“, weil sie
Sünden sehe, wo keine seien.158 Gleichfalls schlecht sei auch die „conscientia per-
turbata“, weil diejenigen, die ob ihrer Sünden verzweifeln, den Glauben an das
Erbarmen Gottes verloren hätten.159 Als vierte sei schließlich auch die „conscien-
tia perversa“ schlecht, weil hier nach Pharisäerart Lässliches für bedeutsam und
Bedeutsames für lässlich gehalten werde.160 In analoger Weise verfuhr auch He-
rolts Ordensbruder Johannes Nider, auf den an späterer Stelle noch einzuge-
hen sein wird.161
155 Vgl. zu ihm mit weiteren Hinweisen: F. J. Worstbrock, „Herolt, Johannes“ sowie R. Cruel,
Geschichte der deutschen Predigt, S. 480-6. Ich zitiere nachfolgend nach der von Johann Amer-
bach 1482 in Basel gedruckten Ausgabe. Herolts Predigten zählten zu den am häufigsten
gedruckten ihrer Zeit, vgl. A. T. Thayer, Ramifications, S. 362.
156 „Unde Seneca in Epistola. Omnis dies velut ultimus [...] Unde quilibet singulis diebus debet
seipsum interrogare in conscientia sua dicendo: Tu quis es.“ J. Herolt, Sermo IX de adventu.
157 „Prima est conscientia dilata, quam habent isti homines qui non ponderant nisi grossiora
peccata mortalia, et de communibus peccatis non curant.“ Ebd. Vgl. zu diesem übergroßen
Gewissen auch die Belege bei J. u. W. Grimm, „ Gewissen IV“, Sp. 6246, 6249f., 6269.
158 „Secunda conscientia que etiam mala est, est conscientia infirma et nimis stricta, quam habent illi
qui faciunt sibi peccata, et hoc accidit ex instigatione diaboli.“ J. Herolt, Sermo IX de adventu.
Zum Begriff der conscientia injirma vgl. R. Lindemann, Der Begriff der conscience, S. 20-3.
159 „Tertia conscientia est conscientia perturbata, et illam habent illi qui volunt de peccatis suis
desperare et de misericordia Dei. Et talis desperatio est pessimum peccatum.“ J. Herolt, Sermo
IX de adventu.
160 „Quarta conscientia que etiam mala est, est conscientia perversa quam habent illi qui peccata
parva ponderant et magna non ponderant, neque curant. Talern conscientiam habuerunt Phari-
sei quibus Christus maledixit Ebd.
161 Vgl. unten im Kapitel 6.2 a).
 
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