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4. Der Traktat De quattuor modis conscientiarum
Das erste Szenario geht davon aus, dass der Traktat trotz seiner späteren Zu-
schreibung an Bernhard von Clairvaux weder von ihm verfasst noch sonst in
einer unmittelbaren Beziehung zu ihm steht. Ja, es spricht sogar manches dafür,
selbst eine Entstehung innerhalb des Zisterzienserordens für unwahrscheinlich
zu halten. Hier ist zum einen auf die Herkunft der Handschriften zu verweisen,
von denen keine einzige den Klöstern der Weißen Mönche zugeordnet werden
kann. Dies ist zwar für sich genommen noch kein Beleg, da spirituell-paräneti-
sche Literatur nie ordensexklusiv zirkulierte,2 doch ist solch ein völliges Fehlen
zumindest auffällig. Zum anderen gibt auch der Titel des Werkes einen entspre-
chenden Hinweis: In immerhin vier Handschriften ist davon die Rede, dass der
Text für einen Zisterzienser verfasst worden sei: „edit[us] a d quendam religio-
sum et litteratum virum, de ordine Cisterciensi“.3 Zwar ist nicht auszuschließen,
dass die Aussage „de ordine Cisterciensi“ als Apposition dem Beginn der Über-
schrift, nämlich dem Uber de conscientia beigestellt ist, doch spricht mehr für ei-
nen Bezug auf den vir religiöses et litteratus. Die in der in der von mir als Leit-
handschrift gewählten Fassung Gz4 durch einen Strichpunkt erfolgte Abtrennung
beider Satzteile nach „virum“ ist weniger stark als sie zunächst scheint, da der
Schreiber einen weiteren Strichpunkt auch nach „conscientia“ setzt, und damit
die Überschrift in Abschnitte gliedert, die semantisch aufeinander folgen:
Ca, 154ra
libro coni ctextcuv
cditv adqumtam
ntuirn uirunttf Aewdinü ctflxracnji.
Diese Beobachtungen decken sich dabei mit der Vermutung des Melker Bibliothe-
kars Bernhard Pez (f 1735), der den Traktat nach einer Handschrift seiner Biblio-
thek {Mel) 1724 im sechsten Band seiner Bibliotheca Ascetica Antiquo-Nova her-
ausgab, und einen (nicht-zisterziensischen) Benediktiner als Urheber vermutete.5
Eine solche Konstellation - das Verfassen eines Brieftraktats6 über das Gewis-
sen, der sich überdies an einen Zisterzienser richtet - ist bekannt: Auch von
Petrus, dem Abt von Montier-la-Celle und nachmaligem Bischof von Chartres,
2 Vgl. hierzu M. Breitenstein, Der Transfer paränetischer Inhalte.
3 Vgl. unten S. 178, Z. 4f.
4 In Am, Av und Me enthält die Überschrift keine Interpunktion.
5 Vgl. hierzu unten S. 82, Anm. 21.
6 Vgl. zur literarischen Form von De quattuor modis conscientiarum unten Kapitel 4.2.
4. Der Traktat De quattuor modis conscientiarum
Das erste Szenario geht davon aus, dass der Traktat trotz seiner späteren Zu-
schreibung an Bernhard von Clairvaux weder von ihm verfasst noch sonst in
einer unmittelbaren Beziehung zu ihm steht. Ja, es spricht sogar manches dafür,
selbst eine Entstehung innerhalb des Zisterzienserordens für unwahrscheinlich
zu halten. Hier ist zum einen auf die Herkunft der Handschriften zu verweisen,
von denen keine einzige den Klöstern der Weißen Mönche zugeordnet werden
kann. Dies ist zwar für sich genommen noch kein Beleg, da spirituell-paräneti-
sche Literatur nie ordensexklusiv zirkulierte,2 doch ist solch ein völliges Fehlen
zumindest auffällig. Zum anderen gibt auch der Titel des Werkes einen entspre-
chenden Hinweis: In immerhin vier Handschriften ist davon die Rede, dass der
Text für einen Zisterzienser verfasst worden sei: „edit[us] a d quendam religio-
sum et litteratum virum, de ordine Cisterciensi“.3 Zwar ist nicht auszuschließen,
dass die Aussage „de ordine Cisterciensi“ als Apposition dem Beginn der Über-
schrift, nämlich dem Uber de conscientia beigestellt ist, doch spricht mehr für ei-
nen Bezug auf den vir religiöses et litteratus. Die in der in der von mir als Leit-
handschrift gewählten Fassung Gz4 durch einen Strichpunkt erfolgte Abtrennung
beider Satzteile nach „virum“ ist weniger stark als sie zunächst scheint, da der
Schreiber einen weiteren Strichpunkt auch nach „conscientia“ setzt, und damit
die Überschrift in Abschnitte gliedert, die semantisch aufeinander folgen:
Ca, 154ra
libro coni ctextcuv
cditv adqumtam
ntuirn uirunttf Aewdinü ctflxracnji.
Diese Beobachtungen decken sich dabei mit der Vermutung des Melker Bibliothe-
kars Bernhard Pez (f 1735), der den Traktat nach einer Handschrift seiner Biblio-
thek {Mel) 1724 im sechsten Band seiner Bibliotheca Ascetica Antiquo-Nova her-
ausgab, und einen (nicht-zisterziensischen) Benediktiner als Urheber vermutete.5
Eine solche Konstellation - das Verfassen eines Brieftraktats6 über das Gewis-
sen, der sich überdies an einen Zisterzienser richtet - ist bekannt: Auch von
Petrus, dem Abt von Montier-la-Celle und nachmaligem Bischof von Chartres,
2 Vgl. hierzu M. Breitenstein, Der Transfer paränetischer Inhalte.
3 Vgl. unten S. 178, Z. 4f.
4 In Am, Av und Me enthält die Überschrift keine Interpunktion.
5 Vgl. hierzu unten S. 82, Anm. 21.
6 Vgl. zur literarischen Form von De quattuor modis conscientiarum unten Kapitel 4.2.