Metadaten

Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0080
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
4.1 Entstehung und Zuschreibung

79

ist eine Abhandlung De conscientia überliefert, welche dieser auf Bitten des
Zisterziensers Alcher von Clairvaux schrieb, dem Petrus das Werk auch wid-
mete.7 Die Annahme vergleichbarer Entstehungsumstände ist für den hier im
Blick stehenden Traktat nicht von der Hand zu weisen.
Ungeklärt bleibt in dieser Konstellation die Beziehung des Werkes zu den
anderen Texten, in denen das Motiv der vier Gewissensarten im Zentrum steht:
den Sentenzen und der 112. Predigt Bernhards aus der Sammlung De diversis.
Da keiner dieser Texte genauer zu datieren ist, muss die Frage der Priorität unge-
klärt bleiben. Zu berücksichtigen ist jedoch auch, dass es sich bei den „vier Ar-
ten“ zum einen um ein offensichtlich zeittypisches Motiv handelte, wie die hier
zusammengetragenen Textzeugen demonstrieren, und zum anderen, dass der
Text der kurzen Predigt überdies schon recht bald in die Flores Bernardi einfloss,
jene Anthologie, die lange Zeit dem Benediktiner Wilhelm von St. Martin de
Tournai zugeschrieben wurde.8
Solche Sammlungen entstanden bereits sehr rasch nach Bernhards Tod: Be-
reits vier Jahre nach seinem Ableben lag eine derartige Zusammenstellung von
Lesefrüchten vor, wie einem Brief des Johannes von Salisbury (f 1180) an
Petrus Cellensis aus dem Jahr 1157 zu entnehmen ist,9 auch wenn es sich bei
dieser mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht um die eben genannten Flores Bernardi
handelte, sondern eine andere - ex post betrachtet - weniger erfolgreiche Antho-
logie. In jedem Fall aber war das Motiv auf diese Weise eng mit Bernhards
Namen verknüpft.
Nimmt man an, der unbekannte Verfasser des Traktats kannte die unter dem
Namen Bernhards überlieferten Texte und nahm auf sie Bezug, stellt sich die
Frage, warum keine wörtlichen Übernahmen erfolgten, oder weshalb der Name
des großen Abtes nicht als Autoritätsverweis genannt wurde. Kehrt man hinge-
gen das Abhängigkeitsverhältnis um und liest den Predigttext wie auch die bern-
hardische Sentenz als Bezugnahmen auf den Traktat, dann ergibt sich hieraus
eine interessante Deutungsmöglichkeit: In diesem Fall kann man nämlich anneh-
men, dass es sich beim Traktat um einen Brief handelte, der entweder an Bern-
hard gerichtet war oder ihm zur Kenntnis kam, und dessen Inhalt dieser dann
für eine eigene Predigt heranzog, die dann freilich wieder nur in jener Kurzform
überliefert wurde, die aus den Sermones de diversis bekannt ist. Dies müsste dann
aller Wahrscheinlichkeit nach wiederum nach 1136 geschehen sein.10
7 „Charissimo suo fratri Alchero, monacho Claraevallis frater Petrus Cellensis, salutem et con-
scientiam bonam.“ Petrus Cellensis, De conscientia, S. 193.
8 Vgl. hierzu unten den Abschnitt 6.2 a).
9 Vgl. unten S. 239, Anm. 50.
10 Vgl. oben S. 77, Anm. 1.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften