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Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0084
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4.1 Entstehung und Zuschreibung

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Erkennbar aber fanden zunächst nur Wenige diese Zuschreibung überzeu-
gend; es überwogen die Zweifel. Sowohl Herausgeber wie auch Leser der unter
Bernhards Namen kursierenden Texte - verwiesen sei auf Geert Groote
(f 13 84)26, Johannes Calvin (f 1564)27oder Gottfried Arnold (f 1714)28 — hatten
mit kritischem Urteilsvermögen ein Bewusstsein für die Problematik der außer-
ordentlich verbreiteten Pseudepigraphierung entwickelt. Schließlich war die
überwiegende Menge dessen, was Bernhard in den Handschriften zugeschrie-
ben wurde, apokryph;29 selbst zu seinen Lebzeiten waren bereits falsche Zu-
schreibungen im Umlauf.30 Insofern zeugt es durchaus von textkritischer Sensi-
bilität, wenn Trithemius (f 1516) den Traktat im Gegensatz zu zahlreichen
weiteren nicht authentischen Werken in seinem Catalogus Scriptorium Ecclesias-
ticorum von 151231 ebenso wenig erwähnt, wie Conrad Gessner (f 1565) in sei-
ner 1545 erschienenen Bibliotheca universalis.32
Offensichtlich unternahm man zu dieser Zeit keine ernsthaften Versuche, den
Text an Bernhard von Clairvaux zu restituieren. Zwar wurde immer wieder
darauf verwiesen, dass er durchaus eines Bernhard würdig sei, aber man war
sich des Umstandes wohl bewusst, dass der Text eben doch nicht von ihm
stammte: „Tractatus doctus et elegans; nec indignus Bernardo“ - urteilte Jacob
Merlo Horstius (f 1644) in seiner wirkmächtigen Werkausgabe von 1641 ;33 eine
Einschätzung, die von vielen Zeitgenossen wie auch Nachfolgern geteilt wurde.
Auch Kardinal Robert Bellarmin (f 1621) wies den Text in seinem erstmals
1613 erschienenen Kompendium kirchlicher Autoren den Opera dubia des Zis-
terziensers zu, indem er knapp bemerkte: „Liber de conscientia pius, et utilis est,
quamvis S. Bernardi esse non videatur“.34 Und der französische Kirchenhistori-
ker Louis Ellies Dupin (f 1719) erklärte in seiner Nouvelle Bibliotheque eine
Autorschaft Bernhards für unwahrscheinlich, meinte aber, dass der Traktat wie
auch jener Vom inneren Haus wohl von einem Zeitgenossen des Abtes stamme.35

26 Vgl. unten S. 235, Anm. 41.
27 Vgl. A. Lane, Calvin’s Use, S. 315.
28 Zu Arnold und seiner Unparteiischen Kirchen- und Ketzerhistorie mit Bezug auf Bernhard:
J. Wallmann, Bernhard von Clairvaux, S. 370f.
29 Vgl. J. Leclercq, L’edition de saint Bernard, S. 716f.
30 Vgl. ebd., S. 719. Vgl. auch den Brief des Regularkanonikers Gerhoch von Reichersberg
(f 1169) an Bernhard, abgedruckt bei G. Hüffer, Vorstudien, S. 222-5, hier 224f.
31 J. Trithemius, Catalogus Scriptorum Ecclesiasticorum, Lxxxnr-V.
32 Vgl. C. Gessner, Bibliotheca Universalis, 144v-145r.
33 BB 1002, Bd. 5, S. 315 a, in marg.
34 R. Bellarmin, De scriptoribus ecclesiasticis, S. 225.
35 „Le Traite de l’Edification de la Maison Interieure ou de la Conscience, qui se trouve aussi par-
mi les CEuvres de Hugues de Saint Victor, est de quelque Moine apparemment de l’Ordre de
 
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