4.1 Entstehung und Zuschreibung
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In einigen Ausgaben jedoch, die diesen Text noch enthielten, wurde De quat-
tuor modis conscientiarum durch diese Gegenüberstellung gleich ein wenig
,bernhardischer‘38. Es kann vermutet werden, dass die Herausgeber in ihrer
Einschätzung hier der des Antonio Possevino (f 1611) folgten, der dieses Urteil
wortwörtlich in seinem einflussreichen Apparates Sacer getroffen hatte.39
Diese Sorgfalt in der Beantwortung der Autorenfrage scheint jedoch im Laufe
der Zeit nachgelassen zu haben. Hierauf verweisen eine Reihe von Rekursen auf
das Motiv oder explizit den Traktat De conscientia - d. h. auf den Von den vier
Arten die ausdrücklich Bernhard als dessen Urheber benennen. Im Falle des
niederländischen Jesuiten Philipp Bebius (f 1637), der den Text 1629 unter Bern-
hards Namen abdruckt, geschah dies wohl vor allem auch aus Gründen der
Aufmerksamkeitsgenerierung; der Name des Zisterzienserabtes sollte sicher
nicht zuletzt Kaufinteresse bei möglichen Lesern wecken. Insbesondere inner-
halb der französischen Gegenaufklärung war Bernhard zu einer zentralen Re-
ferenzfigur avanciert.40
Andere, die sich auf ihn bezogen - und seit dem 16. Jahrhundert taten dies die
meisten der nachfolgend diskutierten Autoren -, benannten ,Bernhard‘ wohl ein-
fach, weil sein Name auf dem Titel der von ihnen konsultierten Ausgaben zu lesen
war, weil es zu Verwechslungen kam,41 oder weil sie aus zweiter Hand zitierten.
Wohl aber auch, weil der Text selbst zahlreiche Anklänge an das Werk des Abtes
enthielt, die eine solche Urheberschaft aus stilistischen Gründen durchaus möglich
erscheinen ließen. Auf dieser Ebene des Textes lag der Vergleich mit dem , wahren*
Bernhard nahe, war der Traktat tatsächlich „extraordinairement bernardin“.42
38 So zum Beispiel in den Inhaltsverzeichnissen der Ausgaben BB 818 und 899: „De interiori
domo id est de conscientia, Tractatus. / Aliis dicitur, speculum conscientia:, vel Über De consci-
entia. / De conscientia Über. / De conscientia Über alter. / Posterior rectius D. Bernardo ascribi
videtur, quam prior.“
39 Unter den Werken des Bernhard von Clairvaux werden hier unter anderen aufgeführt: „De
interiori domo, id est de conscientia, Tractatus qui alijs dicitur, Speculum conscientia:, vel Über
De conscientia. De conscientia Über. De conscientia Über alter.“ Zu diesem heißt es: “At hic
posterior rectius D. Bernardo ascribi videtur, quam prior.“ A. Possevino, Apparatus sacer,
Bd. 1,S. 216.
40 S. Icard, Port-Royal et Saint Bernard de Clairvaux.
41 So zum Beispiel bei Iacobus de Graffiis, De arbitrariis confessariorum, lib. I, cap. 6, S. 37: „De
quo Bernardus libro de consideratione: Quid dulcius, quietius, et suavius bona et tranquilla
conscientia?“ Die Abbreviatur „De cons“ wurde hier wohl fälscherlicherweise als „De conside-
ratione“ statt als „De conscientia“ aufgelöst. Denn tatsächlich handelt es sich um ein Zitat aus
dem Traktat De interiori domo, der ja - wie bereits angedeutet - ebenfalls häufig unter dem
Titel De conscientia überliefert wurde: „Nihil est jucundius, nihil tutius, nihil ditius bona con-
scientia.“ De interiori domo, cap. XI (18), Sp. 517 B. Ein ähnliches Beispiel auch unten S. 92,
Anm. 67.
42 Ph. Delhaye, Dans le sillage, S. 92, wiederholt in: Ders., Le probleme, S. 91.
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In einigen Ausgaben jedoch, die diesen Text noch enthielten, wurde De quat-
tuor modis conscientiarum durch diese Gegenüberstellung gleich ein wenig
,bernhardischer‘38. Es kann vermutet werden, dass die Herausgeber in ihrer
Einschätzung hier der des Antonio Possevino (f 1611) folgten, der dieses Urteil
wortwörtlich in seinem einflussreichen Apparates Sacer getroffen hatte.39
Diese Sorgfalt in der Beantwortung der Autorenfrage scheint jedoch im Laufe
der Zeit nachgelassen zu haben. Hierauf verweisen eine Reihe von Rekursen auf
das Motiv oder explizit den Traktat De conscientia - d. h. auf den Von den vier
Arten die ausdrücklich Bernhard als dessen Urheber benennen. Im Falle des
niederländischen Jesuiten Philipp Bebius (f 1637), der den Text 1629 unter Bern-
hards Namen abdruckt, geschah dies wohl vor allem auch aus Gründen der
Aufmerksamkeitsgenerierung; der Name des Zisterzienserabtes sollte sicher
nicht zuletzt Kaufinteresse bei möglichen Lesern wecken. Insbesondere inner-
halb der französischen Gegenaufklärung war Bernhard zu einer zentralen Re-
ferenzfigur avanciert.40
Andere, die sich auf ihn bezogen - und seit dem 16. Jahrhundert taten dies die
meisten der nachfolgend diskutierten Autoren -, benannten ,Bernhard‘ wohl ein-
fach, weil sein Name auf dem Titel der von ihnen konsultierten Ausgaben zu lesen
war, weil es zu Verwechslungen kam,41 oder weil sie aus zweiter Hand zitierten.
Wohl aber auch, weil der Text selbst zahlreiche Anklänge an das Werk des Abtes
enthielt, die eine solche Urheberschaft aus stilistischen Gründen durchaus möglich
erscheinen ließen. Auf dieser Ebene des Textes lag der Vergleich mit dem , wahren*
Bernhard nahe, war der Traktat tatsächlich „extraordinairement bernardin“.42
38 So zum Beispiel in den Inhaltsverzeichnissen der Ausgaben BB 818 und 899: „De interiori
domo id est de conscientia, Tractatus. / Aliis dicitur, speculum conscientia:, vel Über De consci-
entia. / De conscientia Über. / De conscientia Über alter. / Posterior rectius D. Bernardo ascribi
videtur, quam prior.“
39 Unter den Werken des Bernhard von Clairvaux werden hier unter anderen aufgeführt: „De
interiori domo, id est de conscientia, Tractatus qui alijs dicitur, Speculum conscientia:, vel Über
De conscientia. De conscientia Über. De conscientia Über alter.“ Zu diesem heißt es: “At hic
posterior rectius D. Bernardo ascribi videtur, quam prior.“ A. Possevino, Apparatus sacer,
Bd. 1,S. 216.
40 S. Icard, Port-Royal et Saint Bernard de Clairvaux.
41 So zum Beispiel bei Iacobus de Graffiis, De arbitrariis confessariorum, lib. I, cap. 6, S. 37: „De
quo Bernardus libro de consideratione: Quid dulcius, quietius, et suavius bona et tranquilla
conscientia?“ Die Abbreviatur „De cons“ wurde hier wohl fälscherlicherweise als „De conside-
ratione“ statt als „De conscientia“ aufgelöst. Denn tatsächlich handelt es sich um ein Zitat aus
dem Traktat De interiori domo, der ja - wie bereits angedeutet - ebenfalls häufig unter dem
Titel De conscientia überliefert wurde: „Nihil est jucundius, nihil tutius, nihil ditius bona con-
scientia.“ De interiori domo, cap. XI (18), Sp. 517 B. Ein ähnliches Beispiel auch unten S. 92,
Anm. 67.
42 Ph. Delhaye, Dans le sillage, S. 92, wiederholt in: Ders., Le probleme, S. 91.