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Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0088
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4.2 Textgestalt

87

nicipale von Soissons ist dies ein unter dem Titel De quatuor modis conpunctionis
firmierender Auszug aus einer Palmsonntagspredigt, die bei Migne unter dem
Namen des Hildebert von Lavardin (f ca. 1133) abgegedruckt wurde.47 Dass
dieser Auszug hier nicht als neue Texteinheit auf De quattuor modis conscienti-
arum folgt, sondern ein zugehöriges Kapitel darstellt, bezeugt die marginale
Kapitelzählung, bei der dieser Abschnitt unter der Nummer VIII firmiert:

.ücquauwitrioihfconpunAiontL-*-
Soi, 8r


Es erscheint keineswegs unpassend, dass innerhalb eines Textes, in dem nicht nur
Arten des Gewissens, sondern auch der Gedanken erörtert werden, ein Abschnitt
über Arten der Reue begegnet.
Interessant präsentiert sich auch das Textgefüge innerhalb der aus dem Cöles-
tinerkonvent von Avignon stammenden und heute in der dortigen Bibliotheque
municipale aufbewahrten Handschrift. Diese enthält den Traktat in der kürzes-
ten bekannten Fassung, die mit der Beschreibung der vier Gewissensarten endet.
Die Kapitel III und IV mit ihren Unterscheidungen der Gedanken und der Geis-
ter fehlen hier. Was sich jedoch statt des III. Kapitels De septem modis cogitatio-
num an die Systematisierung der Gewissensarten anschließt, ist ein Auszug aus
Isidors von Sevilla (f 636) Sentenzenbüchern, der jedoch bezeichnenderweise
unter der Rubrik Ysidorus de cogitacionibus ait steht. Damit ist trotz dieses Feh-
lens eines nicht unbeträchtlichen Textteils ein Sinnzusammenhang gegeben, der
jenem fehlenden Stück entspricht.

a) Kurzfassung (K) und Langfassung (L)
Ob die hier ,Kurzfassung4 (K) genannte Textvariante deshalb kürzer als die
,Langfassung‘ (L) ist, weil sie durch Streichungen aus dieser entstand, oder aber
L eher eine Erweiterung von K ist, kann nicht mit letzter Sicherheit geklärt wer-
den. Die Überlieferungshäufigkeit spricht jedoch ebenso wie das Alter der die
Kurzfassung (K) enthaltenden Handschriften für eine ursprüngliche Textgestalt,
die von dieser repräsentiert wird. Aus ihr ist dann zu einem späteren Zeitpunkt
die Langfassung (L) entstanden. Hinzu kommen inhaltliche Aspekte, auf die
noch einzugehen sein wird, die ebenfalls eine Entstehung des Einschubs für die

47 Die Zuschreibung ist wohl nicht haltbar, vgl. B. Haureau, Notice sur les sermons, S. 126.
 
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