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Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0235
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6. Rezeptionen und Wirkungen

handschriftlichen Verbreitung von Literatur in der Epoche vor der Etablierung
des Buchdruckes zudem stets auch eine popularitätsgenerierende Funktion zu,
die ihrerseits einen nicht unwesentlichen Beitrag zu je spezifischer Kanonbil-
dung innerhalb der verschiedenen Diskurssysteme leistete, weil auf diesem Wege
Wissen um Literatur vermittelt wurde.
Die Verbreitungswege von Texten im Mittelalter waren ebenso weitläufig wie
vielfältig. Sie wurden zur Lektüre oder zum Kopieren erbeten und kursierten
über große Entfernungen hinweg.35 Es existierten dichte Kommunikations-
netze, innerhalb derer die gewünschten Informationen - sei es mündlich oder
schriftlich - ausgetauscht wurden. Immer aber setzte ein gezielter Austausch
Kenntnisse um das Vorhandensein bestimmter Texte voraus. Gewonnen werden
konnten diese durch mündliche Mitteilungen, Briefe oder auch explizite Lektü-
rehinweise. Entsprechende Empfehlungen sind vor allem für den Bereich didak-
tisch-paränetischer Literatur keine Seltenheit.36 In ihnen fanden sich - je nach-
dem, an welches Zielpublikum sich der Text richtete - Hinweise auf weitere
angemessene Lektüren.37 Bereits an dieser Stelle sei auf die Empfehlung von Jo-
hannes Niders Trostbuch durch den Karmeliten Konrad Rudner hingewiesen,
auf die nachfolgend noch einzugehen sein wird.38
Der Traktat Von den vier Arten der Gewissen zählte jedoch offensichtlich nicht
zu jenen Werken, die häufig in entsprechenden Lektürelisten empfohlen wurden.
Einzig innerhalb der Dialogi noviciorum des Thomas von Kempen (J 1471) ist
ein Hinweis enthalten, der sich möglicherweise auf diesen Text bezieht. In dessen
zweitem Buch - zugleich die Vita des ,Gründungsvaters* der Devotio moderna,
35 Vgl. hierzu die Beiträge in den Bänden: Cr. Andenna / K. Herbers / G. Melville (Hgg.), Die
Ordnung der Kommunikation und die Kommunikation der Ordnungen sowie G. Drossbach
/ H.-J. Schmitt (Hgg.), Zentrum und Netzwerk.
36 Vgl. die Zusammenstellung entsprechender Empfehlungen für das weit verbreitete Speculum
monackorum bei M. Breitenstein, , Consulo tibi‘, S. 122-5.
37 So zum Beispiel im Speculum novitii des Zisterziensers Stephen of Sawley (f 1252):
E. Mikkers, Un Speculum novitii, S. 58f. Aus dem Augustiner-Chorherren-Stift Martinstal in
Löwen ist eine entsprechende Liste aus dem Jahr 1526 überliefert; sie ist kommentiert abge-
druckt bei Th. Kock, Die Buchkultur der Devotio moderna, S. 137-42. Ein anonym überliefer-
tes, von seinem Herausgeber so benanntes Propositum cujusdam canonici enthält eine Liste des
persönlichen Lektürestoffes: G. J. Waffelaert, Propositum cujusdam canonici, S. 8f. Durch
den Verlust der Handschrift ist dieser Text hinsichtlich seines Entstehungs- und Überliefe-
rungszusammenhangs kaum mehr zu bestimmen. Eine weitere, ebenfalls anonym überlieferte
Redaktion des Propositum war in der Handschrift Köln, Historisches Archiv, GB 8° 122, 54r-
58v enthalten, vgl. Katalog Köln GB 8°, S. 119f. Zum Zusammenhang vgl. auch N. Staubach,
Memorespristinae perfectiones, S. 424f. Der Dominikaner und Generalmagister seines Ordens,
Humbert von Romans (f 1277), gab eine entsprechende Übersicht zu lesender Texte in seinen
Instructiones de officiis ordinis: cap. 5.18, S. 230.
38 Vgl. unten S. 282, Anm. 233.
 
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