Metadaten

Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0236
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
6.2 Bearbeitungen, Zitate und Paraphrasen

235

Geert Groote - ist eine Übersicht von Texten gegeben, die Groote zur eigenen
Lektüre zusammengestellt hatte („De sacris libris studendis“). Hier nun wird ne-
ben zahlreichen anderen auch eine Schrift mit dem Titel De conscientia Bernardi
erwähnt.39 Ob sich Geert Groote hierbei jedoch auf den Traktat Von den vier
Arten der Gewissen bezog oder auf jenen Vom inneren Haus, der ja, wie schon
dargestellt, ebenfalls unter dem Titel De conscientia überliefert wurde,40 kann
nicht geklärt werden. In jedem Fall aber bekannte Groote in einem Brief an den
Rektor der Deventer Stiftsschule, Willem Vroede, dass er Bernhard aus stilisti-
schen Gründen nicht für den Verfasser dieser Schrift De conscientia halte - welche
auch immer er damit meinte.41 Dass er den Text hier dennoch als De conscientia
Bernardi bezeichnete, verweist jedoch zugleich darauf, dass derartige Autoren-
hinweise wohl zuweilen auch weniger als konkrete Zuschreibung denn als Teil
eines etablierten Titels verstanden werden konnten.
Auch wenn explizite Lektüreempfehlungen für De quattuor modis conscienti-
arum somit nicht nachweisbar waren, so finden sich dennoch vielfältige Spuren
seiner Rezeption wie auch solcher des Motivs der vier Gewissensarten überhaupt.
Dabei scheint jedoch zunächst die bernhardische Predigt Vom vierfachen Gewis-
sen Hauptbezugspunkt gewesen zu sein. Ursächlich hierfür war zweifellos deren
Präsenz in den Flores Bernardi. Doch liegt mit der Vita lesu Christi des Ludolf
von Sachsen (f 1378) auch ein Text vor, dessen Formulierungen über die vier Ge-
wissensarten klare Parallelen zu De quattuor modis conscientiarum aufweisen.
Die zunächst jedoch deutliche starke Präsenz der Predigt Vom vierfachen Ge-
wissen in der Rezeptionsgeschichte des Motivs ist wohl aber vor allem auch auf
ihre Zuschreibung an Bernhard zurückzuführen. Dem Traktat, der erst mit
dem Druck des Jahrs 1547 tatsächlich einen Verfasser zugewiesen bekam, fehlte
ein solches autoritätsgenerierendes Moment - nämlich der Name eines bedeuten-
den Urhebers - zunächst. Hierfür spricht, dass mit der Zuschreibung des Trak-
tats an Bernhard von Clairvaux auch die Bezugnahmen auf diesen erkennbar
einsetzten. Deutlich wird, dass die Rezeption des ,historischen‘ Bernhard von
der des ,legendarischen‘ nicht zu trennen ist.42 In wohl seltener Intensität über-
lagern und vermischen sich im Fall des Zisterziensers beide Felder.

39 Zum Zusammenhang vgl. H. Gleumes, Gerhard Groot, S. 93, zum Text: U. Neddermeyer,
Von der Handschrift zum gedruckten Buch, S. 285.
40 Vgl. oben S. 81, Anm. 18.
41 Gert Groote, ep. 8 {„ad Magistrum Wilhelmum Vroede“), in: Gerardi Magni epistolae, 126v
(S. 18). Vgl. hierzu U. Neddermeyer, Von der Handschriftzitm gedruckten Buch, S. 450.
42 Vgl. zu diesem Phänomen A. H. Bredero, Der heilige Bernhard von Clairvaux. Zur Bern-
HARD-Rezeption vgl. die Übersicht der bis 1990 erschienen Titel in: Bernhard von Clairx-
aux, Sämtliche Werke, Bd. 1, S. 49-51.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften