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6. Rezeptionen und Wirkungen
Im Folgenden soll nach der Präsenz und damit der Bedeutung des Motivs der
vier korrespondierenden Gewissensarten in den Jahrhunderten seit seiner Ent-
stehung gefragt werden. Bei den vorzustellenden Rekursen handelt es sich in den
meisten Fällen um ausdrückliche Zitate oder Paraphrasen, doch finden sich auch
eigenständige Berarbeitungen des Motivs, die ohne ausdrücklichen Bezug auf ei-
nen Referenztext auskommen. Angesichts des bisher kaum in Ansätzen erfassten
Schrifttums, in dem vom Gewissen gehandelt wird, kann für die nachfolgend
vorzustellenden Beispiele jedoch kaum Repräsentativität beansprucht werden.43
Gerade jene Bereiche, die sich als besonders fundträchtig für Bezugnahmen auf
das ethisch-moralische Schrifttum des 12. Jahrhunderts erwiesen haben - näm-
lich die Homiletik und Moraltheologie des 17. und 18. Jahrhunderts - sind au-
ßerordentlich schlecht bis gar nicht erschlossen.44 Nur für wenige Ausnahmen,
wie Johann Heinrich Alsted (f 1638) oder Louis Bourdaloue, liegen hier be-
reits Studien vor, die helfen können, Schneisen durch den Wald der Bücher zu
schlagen. Die chronologische Ordnung der nachfolgend präsentierten Funde in
Jahrhundertschritten ist dabei in erster Linie pragmatisch begründet. Die vorzu-
stellenden Beispiele für die Rezeption des Ordnungsschemas der vier Gewissens-
arten seit dem Hohen Mittelalter sind nicht Ausdruck einer sich evolutionär ent-
faltenden Kette von Beschreibungen des menschlichen Gewissens. Vielmehr
handelt es sich um je aktualisierte Bezüge auf ein vorgängiges Motiv. Die folgen-
den Rekurse sind somit Stellungnahmen, die vor je spezifischen Hintergründen
und mit je eigenen Absichten erfolgten. Diese zumindest in Ansätzen heraus-
zuarbeiten, ist Ziel der folgenden Kapitel.
a) 13. und 14. Jahrhundert
Die im Folgenden vorzustellenden Texte sind die ersten Zeugnisse der Rezeption
des Motivs der vier Gewissensarten nach seiner Entstehung im 12. Jahrhundert,
die über den Akt des Kopierens einer Vorlage hinausreichen. Gleichwohl spricht
bereits der Umstand, dass der Traktat Von den vier Arten der Gewissen ebenso
wie die Predigt Vom vierfachen Gewissen auch im 13. und 14. Jahrhundert noch
43 Vgl. zur Menge des moraltheologischen und kasuistischen Schrifttums des späten Mittelalters
und der Frühen Neuzeit die Angaben bei P. Hurtubise, La casuistique, S. 26; J. Delumeau,
Sin and Fear, S. 315; M. Venard, Christentum und Moral, S. 996-8 jeweils unter Verweis auf
R. Taveneaux, Le Catholicisme posttridentin, S. 1083. Für die englische Tradition vgl.
D. R. Klinck, Conscience, Equity.
44 Vgl. J. Theiner, Die Entwicklung der Moraltheologie', M. Tietz / V Kapp (Hgg.), La pensee
religieuse, hier v. a. die Beiträge von A. Hahn, La severite raisonnable und W. Leiner, La
Princesse. Zur Verbindung von Recht und Moral jetzt mit wertvollen Hinweisen: W. Decock /
Chr. Birr, Recht und Moral.
6. Rezeptionen und Wirkungen
Im Folgenden soll nach der Präsenz und damit der Bedeutung des Motivs der
vier korrespondierenden Gewissensarten in den Jahrhunderten seit seiner Ent-
stehung gefragt werden. Bei den vorzustellenden Rekursen handelt es sich in den
meisten Fällen um ausdrückliche Zitate oder Paraphrasen, doch finden sich auch
eigenständige Berarbeitungen des Motivs, die ohne ausdrücklichen Bezug auf ei-
nen Referenztext auskommen. Angesichts des bisher kaum in Ansätzen erfassten
Schrifttums, in dem vom Gewissen gehandelt wird, kann für die nachfolgend
vorzustellenden Beispiele jedoch kaum Repräsentativität beansprucht werden.43
Gerade jene Bereiche, die sich als besonders fundträchtig für Bezugnahmen auf
das ethisch-moralische Schrifttum des 12. Jahrhunderts erwiesen haben - näm-
lich die Homiletik und Moraltheologie des 17. und 18. Jahrhunderts - sind au-
ßerordentlich schlecht bis gar nicht erschlossen.44 Nur für wenige Ausnahmen,
wie Johann Heinrich Alsted (f 1638) oder Louis Bourdaloue, liegen hier be-
reits Studien vor, die helfen können, Schneisen durch den Wald der Bücher zu
schlagen. Die chronologische Ordnung der nachfolgend präsentierten Funde in
Jahrhundertschritten ist dabei in erster Linie pragmatisch begründet. Die vorzu-
stellenden Beispiele für die Rezeption des Ordnungsschemas der vier Gewissens-
arten seit dem Hohen Mittelalter sind nicht Ausdruck einer sich evolutionär ent-
faltenden Kette von Beschreibungen des menschlichen Gewissens. Vielmehr
handelt es sich um je aktualisierte Bezüge auf ein vorgängiges Motiv. Die folgen-
den Rekurse sind somit Stellungnahmen, die vor je spezifischen Hintergründen
und mit je eigenen Absichten erfolgten. Diese zumindest in Ansätzen heraus-
zuarbeiten, ist Ziel der folgenden Kapitel.
a) 13. und 14. Jahrhundert
Die im Folgenden vorzustellenden Texte sind die ersten Zeugnisse der Rezeption
des Motivs der vier Gewissensarten nach seiner Entstehung im 12. Jahrhundert,
die über den Akt des Kopierens einer Vorlage hinausreichen. Gleichwohl spricht
bereits der Umstand, dass der Traktat Von den vier Arten der Gewissen ebenso
wie die Predigt Vom vierfachen Gewissen auch im 13. und 14. Jahrhundert noch
43 Vgl. zur Menge des moraltheologischen und kasuistischen Schrifttums des späten Mittelalters
und der Frühen Neuzeit die Angaben bei P. Hurtubise, La casuistique, S. 26; J. Delumeau,
Sin and Fear, S. 315; M. Venard, Christentum und Moral, S. 996-8 jeweils unter Verweis auf
R. Taveneaux, Le Catholicisme posttridentin, S. 1083. Für die englische Tradition vgl.
D. R. Klinck, Conscience, Equity.
44 Vgl. J. Theiner, Die Entwicklung der Moraltheologie', M. Tietz / V Kapp (Hgg.), La pensee
religieuse, hier v. a. die Beiträge von A. Hahn, La severite raisonnable und W. Leiner, La
Princesse. Zur Verbindung von Recht und Moral jetzt mit wertvollen Hinweisen: W. Decock /
Chr. Birr, Recht und Moral.