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Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0261
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6. Rezeptionen und Wirkungen

nisse gerade der Laien erkennbar anstiegen.127 Das Wissen um das Gewissen
wuchs deutlich vor allem bei solchen Bevölkerungsgruppen, denen die Teilhabe
an entsprechenden moralischen Unterweisungen bisher verschlossen geblieben
war. Das wichtigste Medium zur Verbreitung solcher ,Gewissensbildungen* war
dabei zweifellos die Predigt. Predigtsammlungen, wie die nachfolgend vorzustel-
lenden, wurden in der Regel als Muster oder Lesesammlungen angelegt und rasch
auch gedruckt.128
Die Erörterungen und Debatten um das Gewissen führten dabei nicht zu be-
grifflichen Neuorientierungen oder Umbrüchen; die Diskussionen der vorange-
gangenen Jahrhunderte wurden fortgeführt und dabei aber beträchtlich intensi-
viert. Auf das Trostbuch des Johannes Nider wurde bereits verwiesen; Konrad
Rudners Dossier über das Gewissen, auf das noch einzugehen sein wird, ist vor
diesem Hintergrund zu lesen, und zahlreiche weitere Autoren wären anzufüh-
ren: Die Schriften Jean Gersons, Thomas’ von Kempen, Jakobs von Jüterbog,
Konrads von Zenn (f 1460) und vieler andere fanden weite Verbreitung und be-
zeugen das enorme Interesse an Wegen zum Heil, deren Beschreiten die Erfor-
schung des eigenen Gewissens zur Voraussetzung hatte.
Neben dieser kontinuierlichen pastoralen Beschäftigung mit dem Gewissen
sind auch für den Bereich der philosophisch-theologischen Auseinandersetzun-
gen ungebrochene Traditionslinien des späten Mittelalters zu den vorangegange-
nen Jahrhunderten feststellbar. Ein wichtiger Protagonist, der zudem begrifflich-
analytisches Interesse mit einem seelsorgerlichen Anspruch verband, war
Antoninus von Florenz, dessen Confessionale - wie erwähnt - sogar in Ver-
bindung mit dem Traktat Von den vier Arten der Gewissen überliefert wurde.129
Der Dominikaner und Erzbischof von Florenz beschrieb das Gewissen als das
Gesicht der Seele, und damit als Zeichen, das auf den einzelnen Menschen ver-
wies und diesen unverwechselbar machte.130
Nicht nur erfuhren die genannten Texte durch den mit der Etablierung des
Buchdrucks einhergehenden medialen Wandel in ihrer Verbreitung noch eine
deutliche Zunahme;131 mit dem Druck ging zugleich eine Standardisierung der
127 Vgl. bspw. unten S. 273.
128 Vgl. G. Steer, VI. Geistliche Prosa. 2. Predigt, S. 319.
129 Vgl. oben S. 98.
130 „Conscientia dicitur facies anima: [...] id est conscientiam maculis peccatorum foedatam. Et
dicitur conscientia facies ratione diversificationis; quia tot homines non est dare duas facies
omnimodo similes, quod mirum est; ita nec duas conscientias omnino similes, id est in omnibus
idem sentientes.“ Antoninus von Florenz, Summa theologica, Bd. 1, tit III, cap. 10, Sp. 179.
Zur Verbindung von Gesicht und Gewissen vgl. M. Schumacher, Sündenschmutz und Her-
zensreinheit, S. 267-70.
131 Vgl. M. Turrini, La coscienza e le leggi, S. 69-80.
 
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