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Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0275
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274

6. Rezeptionen und Wirkungen

am Ende der Handschrift aus Charleville-Mezieres (CA) nachgetragen Kapiteln
von De quattuor modis conscientiarum.™ In beiden Texten fehlt jedoch das Bild
vom Gewissen als „lectus animae“. Dieses Motiv ist vielmehr in Bernhards Pre-
digt Vom vierfachen Gewissen enthalten.190 191 Ein Liber de conscientia jedoch, der
beide Aussagen enthält, ist mir nicht bekannt; sie finden sich auch nicht in jenem
anderen Buch vom Gewissen, das Horstius aus der Editionstradition verbannt
hatte.192
So liegt die Vermutung nahe, dass von Pelbärt hier schlicht zwei Bezüge zu
einem zusammengefasst wurden. Die wortwörtlich gleiche Aussage seiner Pre-
digt findet sich jedoch auch in einem anderen Text: dem ersten Sermon Vom
Gewissen aus der gleichnamigen Predigtsammlung des lutherischen Predigers
Gregor Strigenitz (f 1603).193 Diese Parallele ist zumindest auffällig; zwei
Annahmen scheinen zur Erklärung plausibel: Zum einen ist es nicht gänzlich
unwahrscheinlich, von einem weiteren Liber de conscientia auszugehen, welcher
der Forschung bisher unbekannt geblieben ist, und auf den sich beide - der Fran-
ziskaner und der Lutheraner - bezogen. In diesem Fall müsste es sich um einen
handschriftlichen Referenztext handeln, da sich in den bekannten Druckaus-
gaben der Bernhard zugeschriebenen Werke kein solcher Liber findet. Wahr-
scheinlicher ist jedoch die Annahme, dass Strigenitz in diesem Fall seinen
,Bernhard‘ aus dem Predigttext des Pelbärt entnommen hatte, dessen Werke,
wie erwähnt, im 16. Jahrhundert außerordentlich weit verbreitet waren. Für
Pelbärts Predigt bleibt somit die Vermutung bestehen, dass er hier Aussagen
aus zwei Texten amalgamierte.
Nach seiner ersten, grundlegenden Unterscheidung des guten vom schlechten
Gewissen präsentierte Pelbärt weitere; insgesamt könne man, führt er aus, acht
verschiedene Gewissensarten benennen: ein kühnes, ein freigiebiges und allzu
weites, ein enges und allzu strenges, ein verwirrtes, ein furchtsames, ein irrendes
190 Vgl. oben S. 222, Anm. Z. 19f.
191 Vgl. oben S. 61. Zum Motiv des Bettes als Ruhelager der Seele vgl. K. Lerchner, Lectulus flo-
ridus, v. a. S. 52-6 sowie S. 75-104 {Das Bett als Zeichen des inneren Menschen) und S. 162-5
{Die Gottsuche der ,anima’).
192 Vgl. oben S. 84, Anm. 36.
193 „Daher sagte Bernhardus: Conscientia est sicut anime lectus, in quo habet homo, vel quietem, vel
cruciatum. [...] Nam nulla paena maior et gravior mala conscientia quse semper remordebit perpe-
tuo. Das ist/ das Gewissen ist wie ein Bette der Seelen/ Darinnen der Mensch entweder ruhe hat/
oder schmertzen [...] Denn es ist kein grössere noch schwerer pein/ als ein böses Gewissen/ das
einen ohne unterlas naget und beisset.“ G. Strigenitz, Conscientia, II, 18v. Strigenitz ist unter
den hier behandelten Autoren einer der wenigen, die in jüngster Zeit Aufmerksamkeit erfuhren -
vgl. den von J. A. Steiger herausgegebenen Sammelband. Zusammenfassende Informationen bei
E. H. Rehermann, Das Predigtexempel, S. 245-7. Eine Übersicht der Druckausgaben seiner Ge-
wissenspredigten findet sich bei J. A. Steiger (Hg.), Gregor Strigenitz, hier nos 12, 21, 22, 36, 47,
97,113,122.
 
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