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Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0314
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6.2 Bearbeitungen, Zitate und Paraphrasen

313

Das in sechs Bücher gegliederte Werk ist erkennbar von spätscholastischer
Gelehrsamkeit geprägt: In strenger Form und logischer Folge wurden Fragen
nach dem Wesen, nach Funktion und Bedeutung der conscientia gestellt und
unter Heranziehung einer beeindruckenden Fülle an Autoritäten aus Antike,
Mittelalter und dem Kreise seiner Zeitgenossen, insbesondere aus der Schule
von Salamanca, beantwortet. Insofern überrascht es in seinem Fall nicht, dass
Bresser auch den Traktat De quattuor modis conscientiarum kannte und sich
auf ihn bezog.
Bresser tat dies gleich im ersten, De conscientia in genera überschriebenen
Teil seines Werkes im Zusammenhang einer Klärung der Frage nach der Vielfalt
des habituellen Gewissens („Quotuplex sit conscientia habitualis?“). Grundsätz-
lich könne man, so Bresser, mit den Scholastikern eine conscientia actualis und
mit den Mystikern eine conscientia habitualis unterscheiden. Während erstere,
nämlich die conscientia actualis, auf Vergangenes, Gegenwärtiges und Zukünfti-
ges bezogen wäre, sei die conscientia habitualis in gut und schlecht bzw. rein oder
unrein zu scheiden. Als Gewährsmann hierfür nun wurde Bernhard von
Clairvaux - der vermeintliche Verfasser des Gewissenstraktats - unter Angabe
der genauen Belegstelle genannt.375
Auch zur Klärung der unmittelbar anschließenden Frage, was unter einer gu-
ten wie unter einer schlechten conscientia zu verstehen sei, verwies Bresser zu-
nächst auf ,Bernhards* Traktat, in dem man eine Antwort finden könne,376 um
anschließend die dortigen Begriffsbestimmungen ausführlich zu zitieren. Dabei
wurde das gute und reine Gewissen von ihm zum Ausdruck einer anima iusta
erklärt, das schlechte und unreine hingegen als mit der Todsünde befleckt be-
schrieben:377
ning-Exercise, Sermo I, in den Marginalien. Zu Bressers philosophiehistorischer Bedeutung
vgl. B. Hennig, , Conscientia1 bei Desacartes, s.v. sowie R. Schussler, Moral im Zweifel, Bd. 1,
S. lOOf. Wer den Druck von Bressers De Conscientia initiierte ist nicht klar; der Band erschien
mit einer Widmung der Frau des Verlegers, Maria de Man, an den Antwerpener Bischof Gas-
pard Nemius.
375 „[...] mystici dividunt conscientiam, scilicet habitualem, imprimis ex ipsa Scriptura, in bonam et
malam, seu mundam et immundam: nominatim Bernardus posteriori libro de conscientia, secundo
et duobus postremis capitibus.“ M. Bresser, De conscientia, lib. I, cap. 8, S. 29 a. Die Bezeichnung
des posterior Uber de conscientia bezieht sich hierbei auf jene Bearbeitung des Traktats De interio-
ri domo, die in älteren Ausgaben zuweilen vor dem hier interessierenden Text abgedruckt war; vgl.
oben S. 84.
376 „Quamam sit conscientia bona ac munda, mala et immunda seu inquinata explicui [...] Suppo-
no autem juxta D. Bernardum citatum, et ibidem dicta eande revera esse bonam et mundam,
malam et immundam.“ M. Bresser, De conscientia, lib. I, cap. 8, S. 29 a-b.
377 „Prior itaque [sc. die conscientia bona ac munda] est anima justa, id est, pra:dita et mundata
gratia sanctificante sive justitia inhärente; posterior [sc. die conscientia mala et immunda}
eadem anima iisdem destituta et infecta peccato mortali.“ Ebd., S. 29 b.
 
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