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Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0326
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6.2 Bearbeitungen, Zitate und Paraphrasen

325

vollkommenen Zustand des Gewissens gegenübergestellt wurde. Bonitas und
tranquillitas reichten als Qualitäten erkennbar nicht hin, wenn es um das Errei-
chen eines Optimums gehen sollte. Für den Kapuziner schien die conscientia
bona et tranquilla et secura ganz offensichtlich eine solche zu sein, die gerade
keine Entscheidungs- oder Wertungsinstanz mehr war. Erst in ihrer Selbstauf-
lösung wurde sie zur altissima conscientia - um den Preis freilich, nach mensch-
lichem Maßstab keine conscientia mehr zu sein.
Michel Vivien: Tertullianus Praedicans
Wie Georges d’Amiens griff auch der Franziskaner-Rekollekt Michel Vivien in
seinem zwischen 1675 und 1678 erstmals erschienenen Tertullianus Praedicans
auf das Motiv der vier Gewissensarten in der Textfassung der bernhardischen
Predigt Vom vierfachen Gewissen zurück.426 Dieses Opus erfuhr offensichtlich
eine solch große Resonanz, dass bereits 1679 eine zweite und 1681 eine dritte
Auflage folgten. Zahlreiche weitere Neuausgaben und Nachdrucke erschienen
bis ins 19. Jahrhundert hinein,427 so dass man bei diesem Werk nicht nur von ei-
nem Bestseller sprechen kann, sondern auch kaum fehlgeht, es zu den einfluss-
reichsten homiletischen Musterbüchern der Neuzeit zu zählen. Ungeachtet des-
sen zählt Vivien zu den großen Unbekannten seiner Zeit.428
Sein monumentaler, in sechs Bänden veröffentlichter Tertullianus Praedicans
enthält Predigten nach dem Kreis des Kirchenjahres, mit denen zugleich be-
stimmte, alphabetisch geordnete Motive entfaltet werden. Wesentliches Kennzei-
chen dieser Musterpredigten ist, dass sie in weiten Teilen aus den Schriften des
Tertullian (f nach 220) schöpfen; umfangreiches Material ist jedoch auch zahlrei-
chen Texten weiterer Autoren, insbesondere den Werken der Kirchenväter, ent-
lehnt. Damit sind diese Conciones nicht nur Zeichen der stupenden Belesenheit
ihres Verfassers, sondern zugleich auch eine reiche Fundgrube für ihre Nutzer,
426 Auch Vivien zitierte diese Predigt noch als Teil der Parvi Sermones: „In Parvis sermonibus. Ser.
16“ „D. Bern: ser. 16. de Parvis.“ M. Vivien, Tertullianus praedicans, Pax, conc. 3, Bd. 5, S. 247,
251.
427 Folgende Ausgaben konnten nachgewiesen werden, wobei nicht in jeder Auflage alle Bände
erschienen: Paris: E. Couterot 1675-1678, 1679-80; Köln: J. W. Friessem 1681; Venezia:
I. M. Ruinetti 1693, 1707; Venezia: Storti 1693, 1707; Augsburg: G. Schlüter / M. Happach
1715; Passau: J. Manfre 1717,1729,1747; Napoli: S. Cioffi 1841; Avignon: F. Seguin 1856; Lyon:
Perisse 1858, 1864.
428 Vgl. den Eintrag „ VzTzera, (Michael)“ in: Zedler, Bd. 49, Sp. 451. Auch Zedler weiß kaum
etwas über Vivien zu berichten, außer dass dieser den Tertullianus praedicans verfasst habe.
Pamfilo von Magliano erwähnt ihn als „Distinguished in Sacred Oratory“, innerhalb der
Brief Notice of Various Distinguished Members of the Franciscan Order in: The Life of Saint
Francis, S. 663.
 
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