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Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0328
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6.2 Bearbeitungen, Zitate und Paraphrasen

327

doch nicht ruhig, ein anderes ruhig, aber nicht gut; wieder ein anderes weder
ruhig noch gut und schließlich ein letztes gut und ruhig. Ruhig, aber nicht gut sei
es bei denen, die in Vermessenheit sündigen, was vor allem bei Heranwachsenden
vorkomme. Gut, doch nicht ruhig sei das Gewissen bei denen, die sich bereits
bekehrt haben und ihre Jahre in Bitterkeit überdenken würden. Weder gut noch
ruhig sei es bei denen, die wegen der Menge ihrer Sünden verzweifelten.434
Bis zu diesem Punkt folgte Vivien seinem Bezugstext. Beim guten und ruhigen
Gewissen wich er jedoch deutlich von dieser Vorlage ab. Während Bernhard ein
solches Gewissen bei jenen erkannt hatte, „die das Fleisch dem Geist unterworfen
haben und die denen, die den Frieden hassen, friedfertig begegnen“, so modifi-
zierte der Franziskaner seine Vorlage hier erkennbar: Ein gutes und ruhiges Ge-
wissen hätten seiner Ansicht nach jene, die zum ersten der Tyrannei der Sünder
widerstehen, die zweitens ihre Leidenschaften der Vernunft unterordnen und die
drittens die Beschwerlichkeiten dieses Lebens geduldig ertragen.435 Es sind Ge-
danken, die ihn klar als Vertreter einer zeittypischen Stoa-Renaissance ausweisen,
die auf katholischer wie reformierter Seite gleicherweise sichtbar wurde.436 Ein
solches gutes und ruhiges Gewissen sei zugleich, wie Vivien wenig später ergänzt,
jener Weg, auf dem man ein sicheres Gewissen erringen könne. Auch diesen
Begriff der secura conscientia hatte er dabei Bernhards Predigt Vom vierfachen
Gewissen und dem Bild vom Ruhelager der Seele entlehnt, als welches die consci-
entia bona et tranquilla dort beschrieben ist.437
Diese Bestimmung des guten und ruhigen Gewissens durch Vivien entspricht
somit in Vielem derjenigen Francisco Palancos, die in einem folgenden Kapitel
vorzustellen ist. Hier wie dort wird die bona et tranquilla conscientia zum Kenn-
zeichen eines vernunftgeleiteten Menschen erklärt, der nicht seinen Leidenschaf-
ten folgt. (Bernhard von Clairvaux selbst hatte den Begriff der passio im Sinne
434 In Fortsetzung der vor-vorangegangenen Fußnote: „[Laborat et requiescit anima in conscientia,
quia conscientia alia bona, et non tranquilla: alia tranquilla, et non bona: alia nec tranquilla, nec
bona, alia bona et tranquilla. Tranquilla et non bona eorum est, qui in spe peccant, et dicunt in
corde suo, quod Deus non requiret, et ista est maxime adolescentium. Bona et non tranquilla
eorum est, qui jam conversi ad Dominum, recogitant annos suos in amaritudine. Nec bona, nec
tranquilla, eorum qui multitudine peccatorum desperant.“ M. Vivien, Tertullianus pr&dicans,
Pax, conc. 3, Bd. 5, S. 247f. Vgl. oben S. 61.
435 In Fortsetzung der vorangegangenen Fußnote: „Bona et tranquilla, eorum], qui 1. peccatorum
tyrannidi resistunt: 2. Passiones rationi subjiciunt: 3. hujus vitte molestias patienter perferunt.“
Ebd., S. 248.
436 Für die katholische Tradition vgl. Julien-Eymard d’Angers: Recherches sur le Stoicisme, für
die reformierte vgl. Chr. Strohm, Ethik, s.v.
437 „Hic est lectus animac, in hoc requiem capit anima, sed nondum perfectam. Oportet autem ut
perfectam possit pracstare requiem, non solum bona et tranquilla sit conscientia, sed etiam secura.
Bona autem et tranquilla conscientia est medium ad securam adipiscendam conscientiam.“
M. Vivien, Eertullianus pr<edicans, Pax, conc. 3, Bd. 5, S. 251; vgl. oben S. 61.
 
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