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Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0330
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6.2 Bearbeitungen, Zitate und Paraphrasen

329

jene, die selbst noch in der Todesstunde darum bemüht seien, eben diese Ge-
schäfte zu erledigen.444 Wie gering aber, so klagt Joly, sei die Zahl der Menschen,
die sich während des Lebens um ihr Gewissen sorgten, da ja selbst im Angesicht
des Todes kaum jemand dieses für nötig halten würde. Es gebe nämlich, so weiß
der Prediger seinem Publikum weiter zu berichten, verschiedene Arten des Ge-
wissens, die nachfolgend aufgezählt werden:
„Es gibt schlimme und ängstliche Gewissen/ spricht der Heil. Bernardus, und das
seynd die Gewissen der Sünder/ die den nagenden Wurm unaufhörlich empfinden/
und wohl erkennen/ daß sie ja in einem sehr üblen Stand seyen. Es gibt gute und
dannoch unruhige Gewissen/ nemlich der Gerechten/ die entweders aus Angsthaff-
tigkeit/ oder demüthigen Mißtrauen auf sich selber in Forcht und Schröcken leben.
Es gibt schlimme und doch ruhige Gewissen/ nemlich der ruchlosen und muth-
willigsten Bößwichten/ solcher Ohn-Götter/ die ob den grösten Sünden kein
Abscheuen haben; dann/ wann der Gottlose zum tieffisten in die Sünd kommet/ so
verachtet ers. Es gibt aber auch gute und ruhige Gewissen/ und das seynd die sich
auf die unendliche Verdienst Christi JEsu steiffen/ wie auch auf die Hoffnung/ daß
sein Blut für sie vergossen worden: sprechen dahero mit einem Heil. Paulo, daß sie
sich zwar keiner würcklichen Sünd schuldig wissen/ indessen aber dannoch vor den
Augen Gottes villeicht nicht gerechtfertigt seynd.“445
Hinzuweisen ist hier auf das angesprochene Bild des Gewissenswurms, den
Joly bei jenen am Werk sieht, die ein schlechtes und unruhiges Gewissen be-
sitzen. Dieser Wurm ist zwar keine ,Entdeckung‘ einer Zeit, die allgemein
durch großes naturkundliches Interesse geprägt ist, aber doch ein zentrales
Motiv der Epoche, das Niederschlag in einer ganzen Fülle einschlägiger Veröf-
fentlichungen fand.446 Innerhalb der hier vorgestellten mittelalterlichen Refe-
renztexte hatte der Gewissenswurm noch keine Erwähnung gefunden.
444 „Heureuse l’ame [...] qui [...] songe dans sa derniere maladie ä mettre ordre a sa conscience.“
Ebd., S. 178.
445 Cl. Joly, Predigt von dem glilckseeligen Todt der Gerechten, n° 5.1.8, S. 367 b-368 a. „11 y a, dit S
Bernard, des consciences mauvaises et troublees, et ce sont celles de ces pecheurs qui sentent de
continuels remords, et qui reconnoissent qu’ils sont en tres-mauvais etat. 11 y a des consciences
bonnes et inquietes, et ce sont celles de ces Justes, qui foit par scrupule, foit par une humble defi-
ance d ’eux-memes, vivent dans un esprit de fraieur et de trouble. 11 y a des consciences mauvaises
et tranquilles; et ce sont celles de ces libertins de profession, et de ces athees, ä qui les plus grands
pechez ne font aucune horreur, parce que des que l’impie est descendu dans ce centre d’inquiete,
il meprise tout. Mais il y a des consciences bonnes et tranquilles, et ce font celles de ces ames
saintes, qui appuiees sur les infinis merftes de J. C. et sur l’esperance que son sang s’est repan, du
sur elles, disent avec S. Paul, qu’elles ne se sentent coupables d’aucun peche actuel qu’elles aient,
quoiqu’elles ne foient peut-etre pas justifiees pour cela aux yeux de Dieu.“ Cl. Joly, Cinquieme
prone de la bienheureuse mort, in: Prones de messire Claude Joli, Bd. 2, S. 178f.
446 So begegnet „Gewissenswurm“ als Lehnübersetzung des lateinischen vermis conscientiae auch
erstmals im 17. Jh., vgl. D. Lau, Vermis conscientiae, S. 117. Um nur auf einige Werke hinzuwei-
 
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