6.2 Bearbeitungen, Zitate und Paraphrasen
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bestand in der Reichweite, bestand also im Kreis der Adressaten. Ein Denken,
dessen Ziel darin bestand, sich der Menschheit als ganzer zu widmen, musste
andere Anknüpfungspunkte wählen als eines, das sich zuvorderst einer religiösen
Elite verschrieben hatte.
Bester Ausdruck hierfür ist wohl ein neu erwachsener Glaube an die Formbar-
keit und zugleich Vervollkommnungsfähigkeit des Menschen. So setzte sich seit
dem 17. Jahrhundert innerhalb der lutherischen Orthodoxie die Überzeugung
durch, dass eine sorgfältige Erziehung der Kinder geeignet sei, ihnen die Fähig-
keit zu vermitteln, sich als Erwachsene von ihrem Gewissen leiten zu lassen.517
Entsprechende Befunde Kittsteiners wurden von Leites für die englischen Pu-
ritaner bestätigt.518 Die ursprünglich für nötig gehaltene körperliche Züchtigung
wich nachfolgend, insbesondere in der Tradition des Pietismus, subtileren For-
men der Bestrafung - das unmittelbare Ziel blieb eine Konditionierung durch
Affekt- und damit Verhaltenskontrolle, das mittelbare die Etablierung eines
Gewissens, das um den rechten Maßstab wusste. Eine solche „Konditionierung
auf den bestehenden gesellschaftlichen Standard“ kann mit Norbert Elias durch-
aus als Prozess der Zivilisation gedeutet werden.519 Gleichwohl blieb das Gewis-
sen als Gegenstand, mit dem man sich intensiv beschäftigte, auch jetzt noch ein
Elitenphänomen.520
Nötig war eine „Innere Mission“521, als deren zentrales Medium sich die Pre-
digt etablierte. Sofern er den Gottesdienst besuchte, konnte der Gläubige gar
nicht anders, als sie zu hören. Wollte man das Gewissen des Menschen bilden, ihn
zu einem moralischen Leben anhalten, galt es folglich zuallererst, darauf zu ach-
ten, dass auch wirklich jeder am Gottesdienst teilnahm, wie der nachfolgend vor-
zustellende Martin Frangois Thiebault ausdrücklich betonte.522
Bei der überwiegenden Zahl der folgenden Texte handelt es sich um Predigten
oder solche, die als Predigthandbücher dem gleichen Feld zugeordnet werden
können.523 Auch für die Predigtkultur des 18. Jahrhunderts blieben dabei die
Werke Bernhards von Clairvaux ein nicht zu vernachlässigender Impulsgeber,
wie beispielsweise das Apiarium mellifluum des Franziskaner-Rekollekten Mat-
517 Vgl. ebd.,S. 367-70.
518 E. Leites, Puritanisches Gewissen, S. 21.
519 N. Elias, Über den Prozeß der Zivilisation, Bd. 1, S. 329. Zu den methodischen Herausforde-
rungen im Umgang mit Elias’ Theorie vgl. G. Schwerhoff, Zivilisationsprozeß.
520 Vgl. D. W. Sabean, Das zweischneidige Schwert, S. 49.
521 In Anlehnung an H. D. Kittsteiner, Die Entstehung des modernen Gewissens, S. 293ff.
522 Vgl. unten S. 367f.
523 Zur Predigt der Zeit im Überblick vgl. J. B. Schneyer, Geschichte der katholischen Predigt,
S. 305-33.
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bestand in der Reichweite, bestand also im Kreis der Adressaten. Ein Denken,
dessen Ziel darin bestand, sich der Menschheit als ganzer zu widmen, musste
andere Anknüpfungspunkte wählen als eines, das sich zuvorderst einer religiösen
Elite verschrieben hatte.
Bester Ausdruck hierfür ist wohl ein neu erwachsener Glaube an die Formbar-
keit und zugleich Vervollkommnungsfähigkeit des Menschen. So setzte sich seit
dem 17. Jahrhundert innerhalb der lutherischen Orthodoxie die Überzeugung
durch, dass eine sorgfältige Erziehung der Kinder geeignet sei, ihnen die Fähig-
keit zu vermitteln, sich als Erwachsene von ihrem Gewissen leiten zu lassen.517
Entsprechende Befunde Kittsteiners wurden von Leites für die englischen Pu-
ritaner bestätigt.518 Die ursprünglich für nötig gehaltene körperliche Züchtigung
wich nachfolgend, insbesondere in der Tradition des Pietismus, subtileren For-
men der Bestrafung - das unmittelbare Ziel blieb eine Konditionierung durch
Affekt- und damit Verhaltenskontrolle, das mittelbare die Etablierung eines
Gewissens, das um den rechten Maßstab wusste. Eine solche „Konditionierung
auf den bestehenden gesellschaftlichen Standard“ kann mit Norbert Elias durch-
aus als Prozess der Zivilisation gedeutet werden.519 Gleichwohl blieb das Gewis-
sen als Gegenstand, mit dem man sich intensiv beschäftigte, auch jetzt noch ein
Elitenphänomen.520
Nötig war eine „Innere Mission“521, als deren zentrales Medium sich die Pre-
digt etablierte. Sofern er den Gottesdienst besuchte, konnte der Gläubige gar
nicht anders, als sie zu hören. Wollte man das Gewissen des Menschen bilden, ihn
zu einem moralischen Leben anhalten, galt es folglich zuallererst, darauf zu ach-
ten, dass auch wirklich jeder am Gottesdienst teilnahm, wie der nachfolgend vor-
zustellende Martin Frangois Thiebault ausdrücklich betonte.522
Bei der überwiegenden Zahl der folgenden Texte handelt es sich um Predigten
oder solche, die als Predigthandbücher dem gleichen Feld zugeordnet werden
können.523 Auch für die Predigtkultur des 18. Jahrhunderts blieben dabei die
Werke Bernhards von Clairvaux ein nicht zu vernachlässigender Impulsgeber,
wie beispielsweise das Apiarium mellifluum des Franziskaner-Rekollekten Mat-
517 Vgl. ebd.,S. 367-70.
518 E. Leites, Puritanisches Gewissen, S. 21.
519 N. Elias, Über den Prozeß der Zivilisation, Bd. 1, S. 329. Zu den methodischen Herausforde-
rungen im Umgang mit Elias’ Theorie vgl. G. Schwerhoff, Zivilisationsprozeß.
520 Vgl. D. W. Sabean, Das zweischneidige Schwert, S. 49.
521 In Anlehnung an H. D. Kittsteiner, Die Entstehung des modernen Gewissens, S. 293ff.
522 Vgl. unten S. 367f.
523 Zur Predigt der Zeit im Überblick vgl. J. B. Schneyer, Geschichte der katholischen Predigt,
S. 305-33.