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Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0351
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6. Rezeptionen und Wirkungen

Niemand könne somit vor seinem Gewissen fliehen. Dennoch würden manche
versuchen, es einzuschläfern. Ein Weg hierzu sei, so Martin, der Atheismus, ein
anderer wäre es, sich vor sich selbst damit zu entschuldigen, dass Gott sich kaum
um die Sünden eines jeden Menschen kümmern werde, ein dritter wiederum, ganz
auf Gottes Barmherzigkeit zu setzen. Keiner dieser Zustände sei jedoch von
Dauer; niemand könne nämlich sein Gewissen dauerhaft verstummen lassen,
bringt Martin eine typische Sichtweise innerhalb des französischen Protestantis-
mus auf den Punkt,537 um unmittelbar an diese Aufzählung von Betäubungsver-
suchen anschließend zur Unterscheidung von Gewissensarten zu kommen:
„Es sind vier Arten des Gewissens, sagte der heilige Bernhard; eines, welches gut ist,
ohne ruhig zu seyn: eines, das ruhig ist, ohne gut zu seyn: ein drittes, welches weder
ruhig noch gut ist: und endlich ein vierdtes, welches gut und ruhig ist. Das Gewis-
sen, welches ruhig, und doch nicht gut ist, ist das Gewissen dererjenigen, die, weil
sie in ihrem Hertzen sprechen, es ist kein Gott, zum wenigsten auf einige Zeit ihr
Gewissen durch die Hoffnung nicht gestrafft zu werden, in Ruhe setzen. Das Ge-
wissen, welches gut ist ohne ruhig zu seyn, ist das Gewissen der bekehrten Sünder,
welche, wenn sie offt in sich und in ihr vergangenes Leben zurücke gehen, Unruhe
und Betrübniß in ihrem Gewissen erregen. Das Gewissen, welches weder gut noch
ruhig ist, ist das Gewissen eines Bösewichts, der sich mit Sünden befleckt siehet,
und sich dem Schrecken des Gerichtes Gottes und einer abscheulichen Verzweif-
lung überläst [...]. Dasjenige Gewissen endlich, welches beydes zusammen, gut und
ruhig ist, ist das Gewissen eines Gläubigen, welcher seinen Leidenschaften abge-
storben, die Tröstungen der Gnade schmecket, und [...] der Sitz Gottes wird.“538
David Martin verzichtete auf eine Referenzangabe für seinen Rekurs auf das
Motiv der Gewissensarten; in Anbetracht von dessen Präsenz nicht nur in den
Opera omnia Bernhards von Clairvaux, sondern auch in zahllosen moral-
537 D. Martin, Traite de la Religion Naturelle, Teil 2, cap. 10, S. 421-3. Vgl. für andere Beispiele
E. Haase, Einführung, S. 360f.
538 D. Martin, Abhandlung von der Natürlichen Religion, Teil 2, cap. 10, S. 512f. „11 y a, disoit
S. Bernard quatre sortes de consciences; une qui est bonne, sans etre tranquille, une qui est
tranquille, sans etre bonne; une troisieme qui n’est ni bonne ni tranquille; et une quatrieme en-
fin, qui est bonne et tramqillle. Celle qui est tranquille sans etre bonne, c’est la conscience de
ceux qui disant dans leur coeur qu’il n’y a point de Dieu, mettent, du moins pour quelque
temps, leur conscience en repos par l’espoir dont ils se flattent de l’impunite. La conscience qui
est bonne, mais qui n’est pas tranquille, est celle des pecheurs convertis, qui par des retours
frequens sur eux-memes etsur leur vie passee, jettent l’agitation et l’amertume dans leur consci-
ence. Celle qui n’est ni bonne ni tranquille, est la conscience d’un scelerat qui se voyant noirci
de crimes, se livre ä l’horreur de jugemens de Dieu, et ä un affreux desespoir [...]. La conscience,
enfin, qui est tout ensemble et bonne et tranquille, est celle d’un fidele, qui ayant mortifie ses
passions goüte les consolations de la grace, et devient [...] le siege de Dieu.“ Ders., Traite de la
Religion Naturelle, Teil 2, cap. 10, S. 423f.
 
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