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Breitenstein, Mirko
Vier Arten des Gewissens: Spuren eines Ordnungsschemas vom Mittelalter bis in die Moderne : mit Edition des Traktats De quattuor modis conscientiarum — Klöster als Innovationslabore, Band 4: Regensburg: Schnell + Steiner, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.49623#0352
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6.2 Bearbeitungen, Zitate und Paraphrasen

351

theologischen oder homiletischen Werken, muß unklar bleiben, welcher Text
ihm als Vorlage diente.
Offen bleibt jedoch auch die Frage, warum Martin das Ordnungschema
überhaupt für seinen Tratte heranzog. Denn ebenso überraschend, wie es inner-
halb seiner Argumentation auftaucht, so unpassend scheint das Motiv für deren
Fortgang, in dem für Zwischentöne, wie sie ein zwar gutes, aber unruhiges Ge-
wissen darstellt, kein Raum bleibt.
Damit nämlich, färt Martin fort, das Gewissen gut genannt werden kann,
reiche es nicht, dass der Wille nicht dem vom Verstand getroffenen Urteil wider-
spreche, schließlich würden Wille und Verstand oft miteinander harmonieren,
ohne dass ein gutes Gewissen die Folge sei. Dies zeige sich vor allem im Bereich
der Religion, wo die Anhänger anderer - sprich: falscher - Religionen davon
ausgingen, dass ihre Religion gut wäre, was jedoch objektiv falsch sei.539 Ein gu-
tes Gewissen sei mithin mehr als die Übereinstimmung von Willen und Verstand,
schließlich sei es wesentliche Aufgabe des Verstandes, wahre von falscher Er-
kenntnis zu unterscheiden. Ein Gewissen, das irrt, weil ihm der Verstand ein
falsches Urteil zur Entscheidungsgrundlage gegeben hat, könne aber nicht gut
sein, ebensowenig wie ein Gewissen gut sein könne, bei dem der Wille zum Gut-
sein fehlt.540 Folglich ist für David Martin ein irrendes Gewissen immer ein
schlechtes Gewissen: Die Wahrheit der christlichen Offenbarung sei von solcher
Evidenz, dass man sie nicht verfehlen könne, befindet sich die Wahrheit doch,
wie er im Vorwort seines Tratte bemerkt hatte, in der zu erkennenden Sache
selbst.541 Welchem Zweck hierbei das Motiv der vier Gewissenarten dient, wird
an keiner Stelle deutlich. Psychologische Fragen menschlicher Beunruhigung
spielen in David Martins Abhandlung keine Rolle.

539 „Anfin qu’un conscience soit effectivement bonne il ne suffit pas que le coeur ne demente pas
l’esprit, en voulant une chose qui au jugement de l’esprit est indigne d’amour et d’estime. Le
coeur et l’esprit s’accordent souvent ensemble sans qu’ils fassent par leur accorde une bonne
conscience: cela se voit tous les jours en une infinite de choses, et particulierement en ce qui
regarde la Religion. Un Payen, un idolatre, un Mahometan, un heretique, croyent chacun leur
Religion bonne, et chacun la professe par les mouvemens de son coeur; et cependant ni la con-
science du Payen, ni celle de l’heretique, ni teile autre semblable, ne peuvent point paser pour
des consciences bonnes.“ Ebd., S. 424f.
540 „Mais la conscience ne consiste pas simplement dans la conformite de sentimens du coeur et de
l’esprit [...] Les lumieres de l’esprit dans la distinction du vrai et du faux, du bien et du mal, en
forte qu’il ne presente au coeur que la verite et la vertu, comme les seuls objets dignes de son
amour, est une partie essentielle de la conscience [...] et par consequent une conscience qui est
dans l’erreur ne sauroit etre bonne, non plus qu’une conscience ne peut point etre bonne par la
simple connoissance de la verite, ou de la vertu.“ Ebd., S. 425f.
 
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